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Der Frauentag braucht eine neue Markenstrategie

Zum Glück gibt es Social Media und Internet. Das sichert uns Männern, dass wir aus sehr komfortabler Position heraus am internationalen Frauentag teilnehmen können, der im letzten Jahr seinen 100 Geburtstag gefeiert hat. Die Vorbereitungen scheinen auf Hochtouren zu laufen, erste Parolen werden ausgegeben, sind nachzulesen. Auffällig ist dabei, dass es nicht einmal im kleinen Österreich ein übergreifendes Motto für dieses Ereignis gibt, welches seit 1921 immer am 8. März begangen wird. Der inhaltliche Spannungsbogen reicht von sozialen Fragen, über Rassismus bis hin zum Frauenfrühstück im Cafe der Innsbrucker Universitätspfarre. Die Wahl des Ortes halte ich für interessant, aber das hat vielleicht damit zu tun, dass das Wort Patriarchat ein aus dem Kirchenlatein stammendes, sekundär gebildetes Abstraktum zu Patriarch ist, wie man weiß. Im sehr ordentlich geschriebenen Literaturblog “Duftender Doppelpunkt” lese ich gerade, dass die Probleme und die daraus resultierenden Forderungen der Frauenbewegung die patriarchalen gesellschaftlichen Strukturen widerspiegeln und vielfältig sind wie die Frauenbewegung selbst. Die zentralen Themen lauten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Gewalt gegen Frauen, Geschlechtergerechte Sprache, Sexistische Werbung. Gleich vorweg: Viele meiner Blogs dienen als Zeugen, dass ich zu sensiblen gesellschaftlichen Fragen und Themen auf der richtigen Seite stehe, wie ich meine, ich lehne Gewalt in jeder Form ab und ebenso ist mir das Thema der gleichwertigen Lebenschancen, auch materiell gesehen, ein großes Anliegen! Aber ich kann nicht umhin, mich zu den Themen  “Sexistische Werbung” und “Geschlechtergerechte Sprache” zu äußern.

Dass es noch immer Personen gibt, die überrascht sind, wenn unter anderen beispielsweise das 1996 gegründete Underwear Label Initmissimi mit Frauen in BH´s und Stringtangas wirbt, halte ich schon für bemerkenswert, da sich unweigerlich die Frage aufdrängt, wie die Marke sonst ihre Produkte einem Publikum präsentieren sollte? Vielleicht mit Schafen als Materialspender gewebter Textilien? Ich will das nicht ins Lächerliche ziehen, aber ist das wirklich unser Problem, wenn Produkte durch „visuelle und sprachliche Koppelung mit den jeweiligen Waren sexualisiert werden“, wie ich im engagiert verfassten Ratgeber der Werbewatchgroup Wien* gerade nachlese. Sollten wir nicht eher über Formen der Kommunikation sprechen, die Gewalt in den Alltag bringen und verherrlichen? Denken Sie an die gesamte Kinowerbung, wo einem fast bei jedem zweiten Plakat eine Waffe im Anschlag entgegengestreckt wird. Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit und das Engagement von politischen Aktivisten?

Als weiteres Fallbeispiel dient der als PDF downloadbare Leitfaden für geschlechtergerechte Formulierung der Universität Wien.* Wo sind wir ungefähr gelandet, wenn dann dort unter dem Punkt “Zehn Regeln für geschlechtergerechten Sprachgebrauch” steht: Verwenden Sie das Mittelwort der Gegenwart als Hauptwort! Eh klar, oder? Sie haben nicht sofort ein politisch korrektes Beispiel in ihrem Kopf abrufbar? Ok, eine kleine Hilfe, aus dem universitären Selbsthilferatgeber für schöner Sprechen. Falsch wäre die Formulierung “Fünfzehn Studenten besuchen die Vorlesung.” Richtig wäre “Fünfzehn Studierende besuchen die Vorlesung.” Noch richtiger wäre gewesen “Die Lehrenden, die Teilnehmenden, die Auszubildenden, die Unterrichtenden, die Vortragenden und die Mitarbeitenden haben eine Vorlesung besucht.” Es liegt mir fern, dieses gesellschaftliche Engagement abqualifizieren, aber die Debatte über diese Themen sollen die Rolle der Frau in der Gesellschaft stärken und nachhaltig verbessern? Ich habe sehr oft den Eindruck, dass da manchmal Männer und Frauen gleichermaßen in einem Elfenbeinturm sitzen und entkoppelt von den realen Problemstellungen agieren.

Ich frage mich ernsthaft, ob ich so manche Debatte nicht verstehe – denn welche Fragen werden diskutiert? Welche Verlegerin würde ein Buch, eine Zeitung oder ein Magazin tatsächlich in gendergerechter Sprache produzieren lassen? Oder würden Sie gerne einmal einen gegenderten Gesetzestext lesen? In Ländern, in denen es derartige Initiativen gegeben hat, wurden sie regelmäßig wieder zurückgenommen. Ja, es ist unzweifelhaft wichtig, dass es eine Gleichstellung von Männern und Frauen gibt, aber nehmen diese Debatten nicht auch Formen an, die den (berechtigten) Anliegen gar nichts bringen, sondern sie eher ins lächerliche ziehen und damit schaden? Wieso darf Werbung nicht einfach schön und ästhetisch sein, manchmal auch sexy! Fällt es nur mir auf, wenn Frauen durch die Stadt gehen, die Einkaufstaschen vieler “sexistischer” Marken mit einer Selbstverständlichkeit stolz zur Schau tragen.

Der internationale Frauentag wurde damit begründet, dass zuerst die Amerikanerinnen und dann der Rest der Welt für das Wahlrecht von Frauen kämpften. Das war markentechnisch eine kluge Strategie, weil ein Thema den gesamten Tag rund um den Globus beherrschte. Heute habe ich den Eindruck, dass viele Debatten einem frauenpolitischen Kaffeehauskränzchen gleichen. Alles und nichts wird diskutiert, wobei das ja schon nahezu wieder eine männliche Eigenschaft, oder doch eine weibliche oder gar metrosexuelle ist? Wie auch immer. Ich finde, dass die Frauenbewegung  zentrale Themen konsequent  besetzen sollte und nicht viele Themen relativ „wirkungslos“ nebeneinander. Das würde dem gesamten Anliegen ein Mehr an Öffentlichkeit bringen. Als Hinweis für österreichische Themen könnte die Aussage* der EU-Justizkommissarin Viviane Reding dienen,  dass unser Land nicht einmal den EU-Durchschnitt erreicht, wenn es um das Thema Frauen in Führungspositionen geht. Auch ein weltumspannendes Thema würde mir einfallen, das Frauen rund um den Globus gemeinsam fordern könnten. Es gibt auf der gesamten Welt eine einzige Einrichtung, die eine moralische Hebelwirkung für viele gesellschaftliche Anliegen in einer globalisierten Welt erzielen könnte. Das ist die UNO. Für die erste weibliche Generalsekretärin zu kämpfen, als Symbol dafür, dass die Welt eine andere werden muss ist, das würde sich aus meiner Sicht mehr als lohnen! Sollte eine der Organisationen einen engagierten Berater in dieser Angelegenheit suchen, würde ich mich sehr gerne anbieten!

*http://literaturblog-duftender-doppelpunkt.at *http://www.werbewatchgroup-wien.at *http://www.die-technik-ist-weiblich.at *http://www.kleinezeitung.at