Hören statt reden
Für die gesamte Empörungsindustrie sind das jetzt schwere Stunden und Tage! Da wird über Monate die Moralkeule in den sozialen Medien 24 Stunden am Tag geschwungen, es herrscht in den Redaktionsstuben des Meinungsdiktates Ausnahmezustand, da reden sich die Daueraufgeregten den Mund fusselig. Und dann das! Eine aus deren aller Sichtweise untragbare Person wird zum 45. Präsidenten der Vereinigen Staaten von Amerika gewählt. Was für eine Schmach! Ich möchte jetzt nicht veganes Bio-Salz in die Wunden all jener streuen, die diese Katastrophe verhindern wollten. Frauen und Männer, Menschen mit allen möglichen Geschlechtern, die argumentativ alles gegeben haben, um dann die aus ihrer Sicht „größte Schwachstelle“ der Demokratie akzeptieren zu müssen, dass es eine dem dort gültigen Wahlrecht entsprechende Mehrheit gibt, die anders denkt. Sie werden keinen Beweis finden, wo ich mich jemals für Donald Trump stark gemacht habe. Aber die Frage muss schon erlaubt, was Hillary Clinton für das politisch höchste Amt in den USA objektiv betrachtet wirklich um so vieles besser qualifiziert hätte? Die Besonderheit, die es wirklich herauszuarbeiten gilt, ist der Umstand, dass die sogenannte und vielfach auch selbsternannte Elite die Menschen nicht mehr erreicht und die Vertrauenskrise so groß geworden ist, dass der „Pöbel“ lieber seinen eigenen Schlächter wählt, bevor er den anlassbezogenen – und sich permanent im Meinungswind drehenden – Anständigen traut!
Ich weiß schon, für alle in Österreich lebenden Dauerempörten gibt es keine Verschnaufpause, gilt es doch hier Norbert Hofer bei der Bundespräsidentenstichwahl zu verhindern, sollten wir diesmal eine ordnungsgemäße Stimmabgabe durchzuführen im Stande sein. Viele Zeitgenossen, die nicht müde werden, immer mit erhobenem Zeigefinger alle und jeden zu ermahnen, der nicht dem Mainstream entspricht, sollten sich in eine Selbstreflexion begeben und hinterfragen, ob nicht die von ihnen gewählte Strategie das genaue Gegenteil von dem erreicht, was eigentlich gewollt wird? Ein praktisch gelebter Toleranzansatz könnte zur Konsequenz haben, dass geistige Einbahnstraßen erweitert werden! Will heißen, dass nicht länger das Establishment die Denkrichtung vorgibt und die anderen sich diesem Diktat unterzuordnen haben. Und ebenso sollte der Tatsache ein Ende gesetzt werden, dass jene, die sich artikulieren und (vielfach) berechtigte Ängste äußern, sicherheitshalber gleich mal ins Rechte Eck gestellt werden, was das allseits beliebte Totschlagargument ist, um dringend zu führende Debatten schon im Keim zu ersticken. Viele und eben nicht nur die Unterschicht, wie uns auch die Wahlen in Amerika gezeigt haben, lassen sich diese Zensur nicht mehr gefallen und setzen in der Wahlzelle ein mehr oder minder wirkungsvolles Zeichen. Eine Nachdenkphase wäre dringend zu empfehlen! Dem Schweizer Dichter Gottfried Keller (1819 – 1890) wird das Zitat zugeschrieben: „Mehr zu hören, als zu reden – solches lehrt uns die Natur: Sie versah uns mit zwei Ohren, doch mit einer Zunge nur.“ Was könnten die im permanenten Sog der Political Correctness dahin taumelnden Oberbelehrer – die meist mit den wirklichen gesellschaftlichen Brennpunkten nicht in Berührung kommen – aus dieser Ansage lernen? Hört den Menschen nur einmal zu und setzt euch mit deren Sorgen und Ängsten auseinander. Letzterer Ansatz könnte ein Zugang sein, um aus dem Ende einen Neuanfang zu machen. Und den hätten wir dringend notwendig!