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Chinas Wirtschaftssorgen sollten wir haben

Gestern sitze ich im ehrwürdigen Cafe Eiles hinter dem Parlament in der Bundeshauptstadt Wien. Vor mir am Tisch ein Espresso, ein Glas Wasser und die Neue Züricher Zeitung, die ich schon länger nicht mehr gelesen habe. Wenn man im 1780 gegründeten Medium auf den Wirtschaftsseiten die Analyse zum verabschiedeten Sparpaket der Österreichischen Bundesregierung nachliest, dann würde man nicht glauben, dass da von ein und demselben Land gesprochen wird, wenn als Vergleich dazu die Berichterstattung in den heimischen Medien dient. Aber das ist nicht mein heutiges Thema. Eine Story auf der selben Seite des Schweizer Traditionsmediums interessiert mich mehr. Unter dem Titel “Chinesische Firmen melden immer mehr Patente an” wird darüber berichtet, wie auch im Bereich der Innovationen das “Reich der Mitte” auf der Überholspur ist.

In unseren Köpfen ist China noch immer ein Land, das viele (gute) Ideen schneller umsetzt und besser kopiert, als wir. Heute werden dort immer mehr Technologien selbst erforscht, entwickelt und marktreif umgesetzt. 16.000 Patente waren es im letzten Jahr, 2008 sind es lediglich 5.000 gewesen. Der 1985 gegründete Telekommunikationsausrüster ZTE (Zhong Xing Telecommunication Equipment Company Limited) hat alleine 2011 unglaubliche 2.826 (!) Anträge auf Schutz von Ideen bei den zuständigen Stellen eingereicht. Das lässt erahnen, wohin die Reise geht. Dazu passt auch, wenn ein paar Seiten weiter zu lesen steht, dass die chinesische Metropole Peking gerade den größten Flughafen der Welt baut, der ab 2017 sagenhafte 130 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen soll. Das Areal des Flughafens beträgt knapp 30 Quadratkilometer, was in etwa der Fläche der Schweizer Kantonsstadt Basel entspricht. Der errechnete Flugzeugbedarf chinesischer Airlines beträgt bis 2030 5.000 Stück. Dass sich der Flugzeugbauer Boeing am Dienstag mit der Commercial Aircraft Corp. of China (Comac) verbündet hat, passt ins Gesamtbild.

Während ich all diese Informationen verarbeite, fällt mir eine Geschichte von der *Montag-Ausgabe (5. März 2012) des Standard ein, die mit “Chinas Wachstum kühlt auf 7,5 Prozent ab” getitelt war. Es stand zu lesen “China stellt sich auf eine weitere Abkühlung seines Wirtschaftswachstums ein. Zum Auftakt der diesjährigen Tagung des Volkskongresses gab Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao am Montag in Peking nur noch 7,5 Prozent Wachstum als Ziel für dieses Jahr vor. In seinem Rechenschaftsbericht vor den rund 3.000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes sagte Wen Jiabao, die wirtschaftliche Entwicklung müsse „stärker nachhaltig und effizienter“ werden. Im vergangenen Jahr war die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde noch um 9,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.” Österreich wird für 2012 ein Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent prognostiziert, Deutschland kann ein Plus von 0,6 Prozent erwarten. Damit liegen wir innerhalb der der EU* auf Platz 11, unsere Lieblingsnachbarn auf Rang 14 unter den 27 Mitgliedsstaaten. Chinas Wirtschaftssorgen sollten wir haben, oder?

* http://derstandard.at/ * http://www.news.at/articles/