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Unter den Soutanen

Im aktuellen Falter parliert ein Pfarrer, heute in seinen Sechzigern, frei von der Leber, über sein widerwärtiges, früheres Tun: „Ich habe keinerlei Neigung zur Pädophilie. Das war eher Homosexualität, mit etwas Unterschreiten der gesetzlichen Altersgrenzen. Es war frühestens mit dreizehn.“ Na, da sind wir aber erleichtert. Wir dachten schon! Das macht die Sache natürlich viel weniger abartig. Und dann lese ich doch die Wortmeldung von Ambros Ebhart, dem Abts des Stift Kremsmünster in Bezug auf die Missbrauchsvorwürfe: „Wir werden das jetzt genau aufarbeiten. Aber man muss auch Barmherzigkeit walten lassen.“ Und Ihre Eminenz Kardinal Schönborn meint dazu: „Auch wenn es schmerzvoll ist, müssen wir die Anfeindungen aushalten!“ Die Herren belieben zynisch zu sein? Barmherzigkeit? Schmerzvoll? Anfeindungen? Zur Erinnerung: Wir reden hier von den Tätern! Was ist das für eine Komödie, die uns hier vorgespielt wird? So hören sich die Entschuldigung einer Organisation an, die von Missbrauchsvorfällen seit vielen Jahren wusste und nichts dagegen unternommen hat? Ist es nicht der eigentliche Skandal, dass hier non chalant zugegeben wird, dass die Vorfälle bekannt waren und alle so getan haben, als ob nichts gewesen sei. Und sieht so der moralische Praxistest eines Unternehmens aus, das seit der Gründung von der Geschäftsidee der Sünde lebt? Da wird in den Gotteshäusern oder besser gesagt am Point of Sale des christlichen Bodenpersonals den Menschen schlechtes Gewissen als Geschäftsprinzip für jede Lebenslage eingeredet und die, die Hände faltend die frohe Botschaft verkünden, sind nicht in der Lage klare Worte zu finden, wo es kein herumreden mehr gibt.

Alleine die Wortwahl lässt mich diesen Menschen den Teufel wünschen! Da werden Kinder missbraucht und vergewaltigt und es wird in diesem Zusammenhang von einem Problem gesprochen! Gelten für die Organisation Kirche andere moralische Maßstäbe in der Aufarbeitung dessen, was man die seelische Zerstörung junger Menschen nennt? Das sind strafbare Handlungen, für die es keine Verjährung geben darf und daher gehören Sie mit der vollen Härte des Gesetzes geahndet, ohne wenn und aber. Und für all die nun Bekannten Fälle hat die Beweislastumkehr zu gelten, den Opfern ist zu lange nicht geglaubt worden! Man braucht sich doch die kirchliche Sexualmoral der vergangenen hundert Jahre nur kritisch anzuschauen. Die Körperfeindlichkeit, die Beziehungsunfähigkeit der Priester, ihr rein theoretisches Wissen um Familie und Erziehung, den Zwangszölibat, die Abwertung der Frauen. (Immerhin hat der Vatikan vor nicht einmal zwanzig Jahren festgestellt, dass eine Frau nicht Priester werden kann, weil ihr die natürliche Ähnlichkeit mit Jesus fehlt.)

Vor etwa einem Jahr war im deutschen Fernsehen die BBC-Dokumentation “Sex, Crimes and the Vatican” zu sehen, die die systematische Vertuschung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche thematisierte. Bereits 1962 soll der Vatikan (unter Papst Johannes XXIII) ein Dokument herausgegeben haben, in dem er von Bischöfen verlangt, die Opfer von sexuellem Missbrauch durch Priester und Bischöfe zu Schweigegelübten zu bewegen. 2001 hat der Präfekt der Glaubenskongregation, einer gewisser Herr Ratzinger , darauf hingewiesen, dass diese Instruktionen nach wie vor Gültigkeit haben. Ist das nicht unfassbar? Ja, es mag sein, dass derlei Übergriffe nicht ausschließlich in klerikalen Kreisen vorkommen. Es mag sein, dass Missbrauch ein Problem der Gesellschaft ist – und nicht nur das einer Institution! Aber: Sexualstraftäter brauchen und schaffen sich ein Umfeld, das sie trägt – dieses Umfeld hieß in vielen Fällen katholische Kirche. Es geht also nicht nur um die Täter, sondern um das System, das sie jahrelang geschützt hat, allen voran das Kirchenoberhaupt. Für kommende Woche hat der Vatikan einen Hirtenbrief angekündigt. Es wäre eine Gelegenheit, einmal klare Worte zu finden zu den Schweinerein unter den Soutanen. Es wäre eine Gelegenheit, damit zu beginnen, den selbst angelegten Panzer aus Ignoranz und Selbstgefälligkeit zu sprengen.  Ich bin mir sicher: Nichts dergleichen wird passieren. Mit den Schäfchen kann man´s ja machen.