Ein Brockhaus für die Liebe
Die Schlacht ist geschlagen. Der Karpfen gegessen. Die Geschenke ausgepackt. Oh du fröhliche! Weihnachten ist vorbei. Für heuer. Und alle Jahre wieder sind es nicht nur die eigenen Wünsche, sondern auch der Rummel von außen, unzählige Weihnachtsfeiern, Konsumdruck und der berufliche Stress vor Jahresende, die schwer auf dem Einzelnen lasten. Der Familie zu liebe wird oft ein Weihnachtsritual herunter gespult, das vielleicht nicht einmal das eigene ist. Und in den eigenen vier Wänden wird die „stillste Zeit des Jahres“ dann noch zum Härtetest für die Partnerschaft oder im schlimmsten Fall zum Beziehungskiller. Da wird raus gelassen, was sich im Laufe des ganzen Jahres an Frustration angesammelt hat und all die nicht ausgesprochenen Kleinigkeiten des Alltags führen zum emotionalen Supergau.
Und warum? Vielleicht haben wir verlernt miteinander zu sprechen, zu diskutieren, zu streiten und vor allem zuzuhören. Und was ist eigentlich aus dem guten, alten Familienrat geworden? Da legen wir einander i-pods, Blackberrys und gps-Geräte unter den Christbaum, aber der Peilsender in Sachen Beziehung ist ständig offline. Kommunikation Fehlanzeige. Und das mittendrin in der schönen, neuen Kommunikationsgesellschaft. Sind wir im Hamsterrad traditioneller Lebenskonzepte derart gefangen, dass wir die Art und Weise unserer Beziehungen nicht mehr hinterfragen? Überfordern wir uns ganz einfach mit überzogenen Vorstellungen und Wünschen, denen wir in keiner Weise gerecht werden können? Spielen wir aus überzogenem Harmoniebedürfnis eine Rolle, um den schönen Schein zu wahren? Sorry, aber das Leben ist keine amerikanische Vorabendserie. Das Leben ist laufende Auseinandersetzung. Also daher: Weniger Kuschelkurs, mehr Streitkultur!
Vielleicht ist es auch an der Zeit, die Prinzipien der bürgerlichen Ehe und die unterschiedlichen Zugänge in der Mann-Frau-Beziehung zu hinterfragen, wie es der peruanische Buchautor und Sexologe Ricardo Badani vor kurzem in einem Interview recht drastisch auf den Punkt gebracht hat: Alle reden heute von Ökologie, also vom Natürlichen – aber sie respektieren nicht einmal die fundamentalsten Gesetze der Natur. Männer und Frauen sind nicht gleich, sondern komplementär. Die Frau handelt intuitiv, der Mann rational, das lässt sich auch an der Physiognomie des Hirns nachweisen. (…) Alle höheren Lebewesen (…) kennen eine klare Rollenteilung nach Geschlecht. Wenn wir den Unterschied zwischen den Geschlechtern aufgeben, regredieren wir auf die Stufe der Insekten. *
Im Sommer 2008 wurde ein früher Aufsatz des Sozialwissenschaftlers Niklas Luhmann veröffentlicht, der schlicht und einfach „Liebe – eine Übung“ betitelt ist. Übung meint hier Praxis oder Handeln. Will heißen: Nicht von Liebe reden ist Liebe sondern Liebe leben macht Liebe. Immer wieder und wieder, darum Übung. Luhmann empfiehlt daher, bei Heirat auch gleich einen „Brockhaus“ anzuschaffen, damit Dissens, der durch Nachschlagen ausgeräumt werden könnte, keine Liebesfragen aufwirft. Das ist doch ein Wort! Lasst uns unsere Beziehungen üben, hegen und pflegen, trainieren und vertiefen, uns an unseren PartnerInnen erfreuen und sie als Bereicherung erleben! Machen wir uns das Leben nicht unnötig schwer! Lassen wir uns nicht von den Kleinigkeiten des Alltags zermürben. Lassen wir doch die Dinge zu und den/die andere/n anders sein. Ist es nicht zuletzt dieses Anderssein, das uns anfänglich an ihm/ihr begeistert und fasziniert hat? Die griechische Sprache kennt bekanntlich drei Arten von Liebe: Eros – die triebgeleitete, körperliche Liebe, die nimmt und sich befriedigt. Philia – die freundschaftliche Liebe, die teilt und sich freut. Agape – die Liebe, die bereit ist, sich für den anderen aufzuopfern und die mitfühlend ist. Ich denke mir, die Beschäftigung mit diesen drei Spielarten der Liebe, ist wesentlich lohnender, als Zeit mit belanglosem Hick-Hack des Alltags zu verschwenden. Oder was meinen Sie?