Blog

Menschenrechtlicher Braindrain

Dass die frühere Justizminsiterin Claudia Bandion-Ortner eher zur Fraktion der politischen Intelligenzallergiker gehört, hat sie schon in ihrer kurzen Amtzeit eindrucksvoll bewiesen. Einzige in Erinnerung gebliebene Maßnahme, einer als Belohnung für eine politisch motivierte Prozessführung in der Causa BAWAG ins Zentrum der Macht nach oben gespülten Richterin, war die Anforderung eines Blaulichts für ihren Dienstwagen. Ihr ehrgeiziger Plan, mit Hilfe einer sogenannten Rundumkennleuchte die Busspuren der Bundeshauptstadt benutzen zu dürfen, um schneller von Party zu Party zu kommen, wie böse Zungen behaupteten, wurde vereitelt. Ich persönlich hätte ihr ja eine dieser Warnleuchten gegönnt, wäre sie doch mit der Hoffnung verbunden gewesen, dass sie vielleicht ein wenig zur Erhellung ihrer politischen Unlichtgestalt beitragen hätte können. Damals habe ich noch ums Eck vom Justizministerium gewohnt und mir immer wieder vorgestellt, wie gut es wäre, wenn diese der Politik eher einen schädlichen Ruf einbringende Person schnell wieder die Ausfallstraßen der Stadt verlassen würde. Egal, aber dieses von ihr damals an den Tag gelegte Verhalten sagt viel über die Befindlichkeit und die Eigenwahrnehmung eines Menschen aus, der sich im 21. Jahrhundert in einem der höchsten Ämter des Staates befindet.

Drei Jahre sind seit Bandion-Ortners Ablöse vergangen, als sie zum Wohle für unser Land wieder unter dem Radar der Wahrnehmungsgrenze verschwunden ist. Als stellvertretende Generalsekretärin des internationalen König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog hat sie ein Ausgedinge gefunden, was ja grundsätzlich begrüßenswert ist, da sie nicht wie andere Persönlichkeiten ihres Ranges auf Steuerzahlerkosten durchgefüttert werden muss. Ich hätte die Kurzzeitpolitikerin ja schon fast vergessen, aber da kam mir gestern die aktuelle Ausgabe des Magazins „profil“ in die Hände, wo ich mir dachte, ich hätte einige Sätze falsch gelesen oder missverstanden. Jetzt, nach mehreren Stunden, liegen die mit Druckerschwärze zu Papier gebrachten und mich erschütternden Passagen noch immer unverändert vor mir. “Auf den Vorhalt, dass im Jahr 2014 in Saudi-Arabien bereits 60 Menschen hingerichtet worden sind, dass an Freitagen nach dem Gebet öffentlich geköpft und ausgepeitscht werde, sagt Bandion-Ortner im profil-Interview: Das ist nicht jeden Freitag.“ Dass die offensichtlich in einer geistigen Unordnung im Verhältnis zu anerkannten Menschenrechtsstandards stehende Ex-ÖVP-Politikerin die Verhüllung von Frauen in Saudi-Arabien mit einer schwarzen Abaya als ein praktisches und angenehmes Kleidungsstück empfindet, soll in ihrem Fall durchaus nachvollziehbar sein. Aber schwerste Menschrechtsverletzungen damit zu rechtfertigen, dass selbige nicht regelmäßig stattfänden, lässt einem den Mund offen stehen bleiben. Was ist das für eine erbärmliche Gesinnung, was ist das für eine unsagbare Entgleisung einer Person, die offensichtlich keinerlei Ahnung davon hat, wenn die Rechte von Menschen sinnbildlich nicht nur verbal getreten, sondern im „günstigsten Fall“ rausgeprügelt und im schlimmsten Fall geköpft werden. Dass bislang kein Vertreter des offiziellen Österreich eine Klarstellung der ehemaligen Ministerkollegin gefordert hat, passt ins Bild eines Landes, in dem die Realpolitik unter einem menschrechtlichen Braindrain leidet und vielerorts nach dem Prinzip „Hände falten, Gosch’n halten“ funktioniert.