Die Starken von heute, könnten die Schwachen von morgen sein.
Die amerikanische Umweltwissenschafterin Donella Meadows hat vor einigen Jahren auf der Grundlage von Statistiken untersucht, wie die Welt aussähe, wenn sie ein Dorf mit 100 Menschen wäre. Hier ist ihr Ergebnis: In dem Dorf lebten 59 AsiatInnen, 14 AmerikanerInnen (Nord-, Mittel- und Südamerika), 13 AfrikanerInnen und 12 EuropäerInnen. 51 der EinwohnerInnen wären Männer, 49 wären Frauen, 5 besäßen einen Computer, 2 hätten einen Internet-Zugang. 50 hätten noch nie ein Telefon in der Hand gehabt, 20 Menschen besäßen 86% des gesamten Reichtums, 50 lebten von weniger als 2,50 Euro am Tag. 39 wären jünger als 20 Jahre, 30 von ihnen würden im Armenviertel des Dorfes leben ohne Chance auf Arbeit, 15 Frauen und 7 Männer wären AnalphabetInnen, 10 Frauen würden körperlich oder sexuell misshandelt. Es gäbe 33 Christen, 18 Moslems, 13 Hindus, 6 Buddhisten, 13 gehörten anderen Religionen an, 17 wären ohne Bekenntnis.
Diese Fakten dienen für mich als Entree, um wieder einmal die Feststellung zu treffen, dass es trotz aller Sparpakete, Korruptionsskandale und anderer Ärgernisse ein großes Privileg ist, hier in Österreich leben zu dürfen! Einige der eingangs zitierten Zahlen sind uns allen zum Glück fremd. Wir kennen keine wirkliche Knappheit, vielmehr ist Überfluss in vielen Bereichen des Lebens das Thema. Die Globalisierung hat nicht nur für uns die Welt kleiner werden lassen, sondern auch dazu geführt, dass Menschen in einem unglaublichen Ausmaß mobil geworden sind. Anfang Feber kaufte die indonesische Fluggesellschaft Lion Air 230 (!) Mittelstreckenjets vom Typ Boeing 737. Nach Preisliste kosten die Maschinen 22,4 Milliarden Dollar oder 17,0 Milliarden Euro.* Es scheint, dass da ein paar Menschen auf Reisen gehen. Einige verirren sich dann in unser schönes Österreich, viele davon nicht in der Business Class eines Flugzeuges sitzend, sondern weniger komfortabel.
Heute sitze ich in einem Starbucks Cafe in der Wiener Innenstadt. Die 1971 gegründete Kette hat aktuell um die 130.000 MitarbeiterInnen und etwas mehr als 7.000 Standorte rund um den Globus verteilt. Während ich auf einen Termin wartend einen Espresso trinke, betreten zwei Kinder männlichen Geschlechts mit Migrationshintergrund (habe ich das politisch korrekt formuliert?) das Lokal. Sie betteln und sprechen Gäste an. Auf einem anderen Tisch fühlt sich ein Mann (Typ: ein in Hollister Fashion gehüllter Schönling) total belästigt, springt auf, verjagt die Buben aus dem Lokal und wird vor dem Coffee Shop nahezu handgreiflich. Eine Mitarbeiterin eilt herbei und unterstützt ihn, die “jungen Männer”, die noch keine zehn Jahre alt sind, zu verjagen. Mich hat die ganze Situation sehr irritiert. Eine Mitarbeiterin eines globalen Konzerns hat den “Wir sind eine Welt” Gedanken auf bedenkliche Art vorgelebt. Ein Mann, der sich bei seiner eigenen Morgenandacht gestört fühlte und augenscheinlich zu den Nutznießern der Globalisierung gehört, hat den beiden Jungs eine zweifelhafte Lektion in Sachen Mitmenschlichkeit erteilt. Und die anderen Gäste haben zugesehen, mich eingeschlossen. Zu meiner Ehrenrettung sei gesagt, dass ich einer der wenigen Anwesenden war, der den Buben etwas gegeben hat. In meiner Schulzeit war der Salzburger Dichter Karl Heinrich Waggerl sehr präsent. Ihm wird das Zitat zugeschrieben “Jeder möchte die Welt verbessern, und jeder könnte es auch, wenn er nur bei sich selber anfangen wollte.” Die vermeintlich Starken unserer Gesellschaft sollten öfter mal in ihrem Denken berücksichtigen, dass auch sie irgendwann zu den Schwachen gehören könnten. Dieses Bewusstsein würde die Lebensbedingungen für viele Menschen auf unserem Planeten schlagartig verbessern.
* http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2012-02/