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Islamische Walz

Auf die Walz bin ich durch ein Zeitungsinterview gekommen, das ich dieser Tage gelesen habe. Diese auch als Wanderjahre bezeichnete Zeit war vom Spätmittelalter an bis zur beginnenden Industrialisierung eine der Voraussetzungen, um zur Meisterprüfung der jeweiligen Zunft zugelassen zu werden. Die Gesellen sollten auf ihren Wanderungen “vor allem neue Arbeitspraktiken, fremde Orte, Regionen und Länder kennenlernen sowie Lebenserfahrung sammeln”. Wenn man sich vor Augen führt, dass dieser bildungspolitische Ansatz zur selbständigen Lebensführung seine Ursprünge Mitte des 13. Jahrhunderts hatte, staunt man nicht schlecht, wie mit dieser Maßnahme künftige Meister ermutigt wurden, einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus zu riskieren. Das von der Europäischen Union initiierte Erasmus-Programm, das Studierenden die Welt ein wenig näher bringen soll, hat seinen Ursprung im Jahr 1987. Dazwischen liegen 800 Jahre!

Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung erzählt dieser Tage der Zimmerer Ronny Pahl aus Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern, mittlerweile 32 Jahr alt, dass er mit 19 Jahren als Wandergeselle loszog. 46 Länder hat er in dieser Zeit bereist, nunmehr lebt er in Kanada. Im Interview formuliert er: “Ich finde, heute sind viele Menschen nicht mehr neugierig aufs Leben, sie sind stumpf geworden.” Man könnte das auch überversorgt nennen, finde ich, wenn man seinen Ausführungen weiter folgt. Sie lesen sich wie der Reifungsprozess eines Menschen, der sein Leben selbst in die Hand nehmen wollte. Er erzählt von Tagen, an denen es kein Essen, weil kein Geld, gab. Er berichtet von Nächten unter freiem Himmel, er plaudert von Arbeit, die eigentlich überall leicht zu finden gewesen sei, auch wenn es nur für eine warme Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf gereicht hat. Und er führt aus, dass es ebenso reichlich schöne Momente gab, wo er gut verdiente und wo auch das Vergnügen nicht zu kurz gekommen sei. Er spricht kurzum von einem selbständigen Leben mit all seinen Höhen und Tiefen! Ich möchte das nicht weiter interpretieren, aber einige Anmerkungen würden mir schon einfallen, wenn ich an die immer größer werdende Verweichlichung unseres gesamten Gesellschaftssystems denke, wo jene, die Leistung einfordern, zu Feinbildern erklärt werden und jene, die nicht nur von Rechten, sondern ebensolchen gemeinsamen Pflichten sprechen, sofort am Pranger der Gutmenschenmaschinerie stehen. Diese lebt meines Erachtens nach im Irrglauben, dass Probleme oder Themen, die nicht benannt werden dürfen, auch keine sind.

Als „Freudespender“ für all diese Menschen dient ein weiterer Schlüsselsatz jenes Mannes, der bislang um die 50 (!) Länder bereist hat und demnächst nach Marokko und Neuseeland aufbrechen wird: “Ich habe mich überall angepasst.” Da berichtet jemand über sein Leben mit und in anderen Kulturen und darüber, wie problemlos es für ihn war, in einem fremden Kulturkreis zu überleben, ohne dabei seine Identität zu verlieren. Gleichzeitig lese ich, dass das von SPD und Grünen regierte Bundesland Rheinland-Pfalz laut einem Medienbericht eine “islamfreundliche Unterrichtsgestaltung” plant. Ein entsprechendes Schreiben der Landesregierung wird gerade an Lehrer verteilt. Das SPD-geführte Kultusministerium fordert „die Organisation des Sexualkundeunterrichts in geschlechtshomogenen Gruppen“ und den „Sport- und Schwimmunterricht ab der Pubertät nach Geschlechtern getrennt“ anzubieten. “Klassenfahrten sollten möglichst nicht während des Fastenmonats Ramadan stattfinden. Die Befindlichkeiten von Muslimen müssten auch bei der Planung von Praktika und Schulfesten berücksichtigt werden. Fasten könne zu einer Einschränkung der Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit der Schüler führen“, mahnen die Verfasser. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich in meinen folgenden Überlegungen sehr exponiere, muss ich schon hinterfragen, wie sinnvoll diese bildungspolitische Maßnahme ist. Integration per Erlass wird nicht funktionieren, sondern vermutlich Widerstand erzeugen. Kapitulieren wir vor dem Islam, um mit Henryk M. Broder zu sprechen? Was hielten Sie von ein wenig multikultureller Umverteilung in unserer angeblich globalisierten Welt? Die zukunftsorientierte Regierung von Rheinland-Pfalz könnte als good practice Verantwortungsträger und Politiker (ohne Binnen-I) aus islamischen Ländern „auf die Walz“ nach Europa einladen. Das wäre eine gute Möglichkeit, sich in einem gleichberechtigten Gespräch auf Augenhöhe auszutauschen: beispielsweise darüber, wie diese Ländern den Respekt gegenüber Andersgläubigen und die Ausübung der Religionsfreiheit als Menschenrecht in ihren Reformvorhaben berücksichtigen und verankern werden. Integration ist eben keine Einbahnstraße!