Ich brauche eine footprinttechnische Quersubventionierung!
Der deutsche Medien- und Kommunikationstheoretiker Norbert W. Bolz kam zu einem interessanten Befund: „Soziale Gerechtigkeit” sagt er, “ist die Maske des Neids, Teamfähigkeit ist die Maske des Hasses auf die Ehrgeizigen und Erfolgreichen, Dialog der Kulturen ist die Maske der geistigen Kapitulation.” Oft genug kritisiere ich in meinen Blogs Ersatzhandlungen von offensichtlich vollkommen weichgespülten Menschen, die jeden Tag ganz nach Pfadfindermanier eine gute Tat glauben leisten zu müssen, meist solche, die gerade en vogue sind, immer auf der Hut, um ja nicht die nächste Kehrtwende im Club der Angepassten zu versäumen. Ähnlich gelagert ist ihr Wertesystem, artikuliert wird immer Richtung Wind, da ja ein eigener Standpunkt Gegenwind erzeugen könnte. Und diesen Druck würden viele von ihnen mangels Rückgrat nicht lange ertragen.
Heute möchte ich mich einmal bei den vielen geschlechtsneutralen Mitmenschen bedanken, die neuerdings auch im Unisexformat ihr Leben versichern und für die anderen aufopfern können. Gerade habe ich entdeckt, dass ich sozusagen ein Profiteur der von mir häufig kritisierten Umwelt bin, die manche bösartig und politisch unkorrekt als Gutmenschen diffamieren. Nicht mal der amerikanische Psychiater M. Boehmer findet da eine für mich vertretbare Umschreibung dieser Personengruppe, der er attestiert, an einer “bislang nicht heilbaren paradoxen Wahrnehmung der Welt” zu leiden. Egal, ich will all jenen Respekt zollen, die nicht wie ich warm, sondern kalt duschen. Männern und Frauen gilt meine Anerkennung, die gerade in dieser Jahreszeit, in ihren Häusern und Wohnungen die Raumtemperatur nicht über 18 Grad ansteigen lassen. Danksagung gebührt Vorbildern, die dem Rauchen, dem Trinken und anderen Genüssen entsagen können. Stolz bin ich auf Nachbarn, die sich zu Hause für Minderheiten, bedrohte Tiere und den Klimaschutz engagieren. Und noch “superer” finde all die guten Geister, die jedem das Recht einräumen, seine Meinung so lange artikulieren und diskutieren zu dürfen, bis wirklich alles besprochen ist.
Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, worin der Nutzen von all dem für mich besteht? Die von mir angesprochene Menschengruppe ist nicht sonderlich mobil und somit umweltverträglicher, weil immer irgendwie am Schauen, ob im ummittelbaren Lebensraum noch alle Bäume und Pflänzchen ihren Platz haben, ob sich die Tiere wohl fühlen, oder durch irgend etwas bedroht sind. Die von mir geschätzten Mitbürger verbrauchen weniger Energie, da ihre Wohnungen oft leer stehen, weil sie häufig in irgendwelchen Cafes oder Non Profit Organisationen in Gruppen ihre Zeit absitzen, um Fragen der Umwelt, der Diskriminierung und der Geschlechtertrennung zu besprechen. Gutbürger belasten weniger das Gesundheitssystem, da sie sich gerne schon aus Imagegründen mit dem Fahrrad fortbewegen, gerne mal an Protestaktionen oder an spontanen Flashmobs teilnehmen. Das dient nicht nur ihrem Anliegen, sondern hält auch jung, frisch und gesund. Und dann kommt selbstverständlich eine Konsumweise dazu, die eher den Bioladen ums Eck fördert, als den Supermarkt am Stadtrand oder den Feinkostladen in der Innenstadt. All das entlastet die Umwelt oder minimiert volkswirtschaftliche Folge- und Gesamtkosten.
Dass man sich in einigen Facetten diesen Daseins derlei Lebensweise oder Solidarität auch leisten können muss, geht manchmal im Diskurs vieler engagierter MitmenschInnen (ist das so political correct?) unter, die für mich durch ihren Verzicht einen großen Beitrag leisten, damit ich ohne schlechtes Gewissen weiter genießen kann. Die morgendliche Zeitungslektüre hat mich heute zu einem Artikel geführt, der den Menschen nahelegt, ihr abgelaufenes Jahr mit einen ökologischen Fußabdruck zu analysieren. Gesagt, getan. Ernüchternd wäre eine Untertreibung, ich bin nahezu erschüttert von meinen Spuren, die ich so aus grün kodierter Perspektive am Globus 2012 gezogen habe. Da präsentiert mir der Online-Rechner auf nahezu nüchternen Magen folgendes Ergebnis: ”Sie hinterlassen einen ökologischen Fußabdruck von 13,0 global Hektar. Ihr Footprint ist damit deutlich größer als der Durchschnitt von 4,9 global Hektar. Es würde noch 7,2 Planeten von der Qualität der Erde erfordern, um allen ErdenbürgerInnen den gleichen Zugriff auf Ressourcen und Energie zu ermöglichen!” Was soll ich jetzt ungefähr machen, frage ich mich? Wirkliches Einsparungspotenzial erkenne ich in meiner Lebensweise nicht, wenn sie einigermaßen authentisch bleiben soll. Ich bin bekennender Warmduscher und Raumtemperaturaufdreher und die wirkungsvollsten Maßnahmen, die mir empfohlen wurden, sind eher schwer umzusetzen. Da bleibt nur die Hoffnung und mein Vorsatz für 2013, all jene zu unterstützen und zu lieben, die durch ihre Entsagungen meine Genüsse aus Footprint-Perspektive quersubventionieren, meinen Supergau abwenden und meine ökologische Bilanz am Ende doch noch retten. Ich danke euch allen:-)