Topfpflanzen für den Wirtschaftsprüfer
Vor kurzem stieß ich auf eine Liste des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, Abteilung Gewerberecht. Auf 25 A4-Seiten werden in diesem Papier freie Unternehmenstätigkeiten aufgelistet, hier ein kurzer Auszug:
Abdecker
Abdichter gegen Feuchtigkeit und Druckwasser
Abfüller und Abpacker (ausgenommen Arzneimittel und Gifte)
Ablängen von Stahl und Eisen verschiedener Dimensionen und Längen in Serien
Adressieren, einlegen, falten, kuvertieren von Prospekten, Zeitungen, Briefen und Broschüren
Ahnenforschung
Ajourieren, Endeln, Knopfpressen und Handstricken
Akkumulatorenlader
Akten- und Datenvernichtung durch Zerkleinerung
…
So ging es seitenweise munter weiter bis schließlich die Zusammenbauer von vorgefertigten Teilen für Kugelschreiber gemeinsam mit den Zwirnknopfverkäufern der Sache ein Ende bereiteten.
(Wer Zeit und Muße hat: Die gesamte Liste kann hier nachgelesen werden.)
I can´t help it, aber da taucht vor meinem geistigen Auge sofort die entsprechende Abteilung im Wirtschaftsministerium auf. Am Ende eines langen, kafkaesken Korridors, 4. Tür rechts nach der Teeküche, ein Schild mit der Aufschrift „Zimmer 426, Abteilung zur Auflistung von freien Unternehmenstätigkeiten“, in dem drei pragmatisierte MitarbeiterInnen damit beschäftigt sind ebendiese Liste stets auf den letzen Stand zu bringen, akribisch die Datenbank der freien Unternehmenstätigkeiten up-to-date zu halten und sich ansonsten der im Zimmer befindlichen Topfpflanzen anzunehmen.
Diese Liste ist für mich nichts anderes als ein Synonym für die Regelungswut in diesem Land, ein Synonym dafür, wie konsequent die Bürokratie mit sinnlosen Ersatzhandlungen unser Steuergeld verbrät, ein Synonym dafür, wie vermeintliche Reformer an der Lebensrealität in diesem Land vorbeiwurschteln. Das ist nicht mein subjektives Empfinden, sondern wissenschaftlich erhoben: Im IW Regulierungsindex des Kölner Instituts für Wirtschaft, der die Regulierungsdichte der 28 OECD-Staaten vergleicht, belegt Österreich gerade einmal den 14. Platz. (Vorbildlich zeigen sich hingegen etwa Skandinavien, Großbritannien und Neuseeland.) *
Aber des einen Leid, des anderen Freud: Die großen Wirtschaftprüfungsgesellschaften wie Pricewaterhouse Coopers, Ernst & Young oder KMPG sind begeistert von der Regelungswut und stocken laufend ihren Personalstand auf. Denn angesichts immer neuer gesetzlicher Auflagen erhöht sich der Prüfungsaufwand. So müssen die Firmen neue interne Kontrollsysteme aufbauen und diese regelmäßig von den Prüfern testen lassen. ** Wie sagte schon der selige Alt-Bundeskanzler Fred Sinowatz: „Es ist alles sehr kompliziert.“ Und das ist es fürwahr, sieht man sich den Apparat an, der hierzulande unser Leben verreguliert. Wir leisten uns zusätzlich zur EU Verwaltung den Luxus von über 770 Politikern in Bund, Ländern und Bundesrat regiert zu werden. In unserem Nationalrat sitzen stolze 183 Abgeordnete, um den Bundespräsidenten scharen sich weitere 70 Spitzenbeamte. Jede politische Funktion wird 10 fach besetzt! Einmal im Bund und 9 mal, mit gleichen Aufgaben in den Ländern. Zum Vergleich: Das deutsche Bundesland Bayern ist größer als Österreich, findet jedoch mit einem Landtag und einer Landesregierung sein Auslangen.
Ich will niemandem zu nahe treten, aber schön langsam müssten es doch auch die dümmsten begriffen haben: Bürokratie und Überregulierung wirken sich in vieler Hinsicht negativ aus: Sie steigern die Kosten. Sie bremsen die Unternehmen, was alle Wettbewerbskriterien belastet. Sie behindern Flexibilität. Schaffen wir es, den Paragraphen-Dschungel zu lichten, könnten wir deutlich schneller, innovativer und wettbewerbsfähiger werden, mehr Beschäftigung und größeren Wohlstand erzielen. Aber für solch revolutionäre Veränderungen müsste man die laufende Partie Beamtenmikado (Wer sich zuerst bewegt, verliert…) unterbrechen, um kurz einmal über den Tellerrand zu schauen. Viel zu aufwendig. Da tüftelt unser Luxusapparat lieber weiter an wichtigen Dingen wie Beißkorbverordnungen, die Kompetenzen der Wiener Hausbesorger und darüber, in welchem Winkerl nun geraucht oder nicht geraucht werden darf. Aber, wenn eine Jugendliche aus dem Kosovo, die ihre Schulausbildung in Österreich gemacht hat und bestens integriert ist, ihre Abschiebung befürchten muss, heißt es „Vurschrift is Vurschrift.“ und die hat nicht hinterfragt zu werden. Tu felix Austria hast ja keine Anderen Sorgen!
* http://www.iwkoeln.de/Portals/0/pdf/trends02_06_3.pdf** www.handelsblatt.com