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Arthur Millers Hippocampus

Mein Vielfliegerstatus bringt es irgendwie mit sich, dass ich mich häufig in den Buchhandlungen von Flughäfen herumtreibe. Das ist mitunter sehr lehrreich. Nach meinen Beobachtungen scheint nach wie vor die populärwissenschaftliche „Mann-Frau-wie-passt-das-zusammen-Literatur“ der Verkaufsschlager zu sein. Sie wissen schon: Da versuchen selbst ernannte Experten das geschlechtsspezifische Verständigungschaos aufzulösen. Die Anleitung zur Dekodierung der Sprache des jeweils anderen Geschlechts mündet dann in epochalen Werken wie: „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“, „Männer sind anders, Frauen auch“, Männer sind vom Mars und Frauen von der Venus“. Ich muss es an dieser Stelle wirklich einmal loswerden: Ich wehre mich dagegen, dass ich als schlicht gestricktes, leicht lesbares Wesen, das mit Bier, Sport und Sex glücklich zu machen ist, abgekanzelt werde, während Frauen komplex, kompliziert und vielschichtig sein sollen. Ich empfinde das als herabwürdigend und beleidigend. Wo doch jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein gutes Glas Wein jedem Bier vorziehe.
Es gibt ja eine Urban Legend, wonach das weibliche und das männliche Gehirn völlig anders beschaffen sind. Seit kurzem weiß ich: es ist gar keine. Die Neuropsychologin Louann Brizendine fand heraus, dass das männliche Gehirn selbst dann um 9% größer ist, wenn man es in Relation zur Körpergröße setzt. Die Gehirnzentren für Sprache und Hören weisen bei Frauen 9% mehr Neuronen auf als bei Männern. Demnach reden Frauen nicht immer mehr, nutzen aber viel mehr Formen der Kommunikation als Männer. Und der Hippocampus, die Schaltstelle für Gefühle und Emotionen ist bei Frauen deutlich größer. Ebenso die Schaltkreise die der Sprache und der Beobachtung von Emotionen bei andern dienen. Frau Brizendine drückt es so aus: „Frauen haben einen achtspurigen Highway, um ihre Gefühle auszudrücken, Männer nur eine Landstraße.“

Oder nehmen Sie zum Beispiel Sex. Die dafür zuständige Gehirnregion ist beim Mann mehr als doppelt so groß wie bei der Frau und wird in der Pubertät mit jeder Menge Testosteron in Schwung gebracht. Deshalb denken Männer ab der Adoleszenz angeblich an gar nichts anderes mehr und fantasieren den ganzen Tag über weibliche Körperteile. Dazu kommt die visuelle Orientierung. Der männliche Blick ist konstant auf der Pirsch, überschaut das Angebot und taxiert seine Beute. Womit bewiesen wäre: Tiger Woods und der untreue Gespons von Sandra Bullock sind keine primitiven Neandertaler, sie können einfach nicht anders. Gut, dass Frau Bruni-Szarkosy offenbar auch außerhalb der präsidialen Schlafgemächer Erfüllung findet, untermauert diese These nicht gerade. Dennoch, unter diesen genetischen Vorbedingungen wäre es eigentlich ausgeschlossen, dass Männer und Frauen sich auch nur ansatzweise verstehen. Aber allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz wollen Frauen weiterhin mit Männern zusammenleben, obwohl sie sich eigentlich viel besser mit einem Lemuren oder einem Zebra verständigen könnten. Weil Zebras nie ihre Socken herumliegen lassen und in Savannenkreisen als sehr einfühlsame Zuhörer gelten? * Man weiß es nicht so genau.

„Ich habe viel Zeit damit verbracht, Frauen misszuverstehen“, sagte Arthur Miller, amerikanischer Schriftsteller – und Ehemann Nr. 3 von Marilyn Monroe. Ich möchte mich keineswegs mit Herrn Miller messen und rühme mich auch nicht, ein Frauenversteher zu sein, aber – sorry! – ich kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Was soll so verwerflich daran sein, dass Mann und Frau unterschiedlich sind. Und was so erstrebenswert daran, sich einander mehr und mehr anzugleichen. Gleichberechtigung der Geschlechter ist selbstverständlich und unabdingbar. 100 Prozent d´accord. Aber Gleichheit, die gibt es nicht. Im Laufe der Jahrmillionen der Evolution haben beide Geschlechter im Sinne der Arterhaltung „zweckmäßige“ Eigenschaften entwickelt. Feminismus und Genderpolitik in der heutigen Form versuchen, sie intellektuell abzutrainieren. Das funktioniert nicht. Ich denke mir, unsere Ratio sollte ergänzen, nicht ändern. Gleichberechtigung der Geschlechter kann es erst dann geben, wenn gesetzliche Formen gefunden werden, die die evolutionär gewachsenen Eigenschaften durchgängig berücksichtigen. Wie wäre es, wenn wir aufhören die Stärken des anderen Geschlechts als Schwächen zu interpretieren, nur weil sich die Welt für sie anders darstellt. Es lebe der Unterschied! Warum denn auch nicht?

* Quelle: „Die Weltwoche“