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Glückskindanleitung

Die letzten Wochen bin ich abgetaucht gewesen. Mein business outfit habe ich gegen einen grünen Bademantel getauscht, der mir jeden Tag frisch nach den Behandlungen meiner mehrwöchigen Ayurveda-Kur gereicht wurde. Dieses karge Kleidungsstück habe ich zu Essenszeiten mit einer weißen Kurta, einem einfachen traditionellen Kleidungsstück aus Baumwolle gewechselt, das die Hotelgäste tagtäglich faltenfrei im Hotelzimmer vorgefunden haben. Somit war ich, zumindest was die Haute Couture anbelangt, einem Inder in gehobener Position ebenbürtig. Eigentlich hätte ich nur mit meinem schwarzen Kulturbeutel französischen Designs verreisen können, denn so wenig wie ich an Mode in den letzten Wochen benötigte, habe ich schon lange nicht mehr gebraucht: eine Badehose hat dreimal täglich ihren Zweck erfüllt, um nicht im Adamskostüm täglich zwischen 80 bis 100 Längen zu schwimmen. Und morgendlich legte ich noch das Sportdress in Form meines Laufgewandes an, weil ich mitten im Training für meinen 3. Halbmarathon in diesem Jahr in Reykjavík gewesen bin, den ich am 20. August absolviert habe. Jetzt ist die Küste am Indischen Ozean in der Gegend um Kerala nicht die ausgewiesene Trainingsstrecke für Läufer, sie verlangt dem, der dort seine Runden dreht, einiges ab, weil schon die Luftfeuchtigkeit tropisch ist und die Außentemperatur am Morgen bereits um die 27 Grad beträgt. Gelaufen bin ich dennoch jeden Tag, während die Kokosnusspflücker ihren Lebensunterhalt von den Bäumen geholt und mich jedesmal mit einem völlig entgeisterten Blick angesehen haben, wenn ich da an ihnen vorbeigezogen bin. Was haben die sich wohl gedacht, wenn sie mich schweißgebadet meine Runden laufend erblickt haben? Egal, in Summe ist der heurige Sommer eine sehr erholsame Phase in diesem Jahr gewesen, die ich mir nach den beruflichen Strapazen des ersten Halbjahres gegönnt habe.

Es ist schon ein völlig ungewohntes Gefühl, wenn man so ganz aus dem Alltagstrott heraustritt, sämtliche Informationskanäle einfach mal kappt und sich all dieser Mitteilungen, Erläuterungen, Auskünfte und Geschichten entzieht, die sonst im Normalfall im Sekundentakt nahezu lawinenförmig auf einen hereinbrechen. Aus der Distanz betrachtet, bekommen so viele Geschehnisse eine ganz andere Gewichtung. Ganz ehrlich, mit welch sinnlosen Dingen man, meine Person natürlich eingeschlossen,  seinen Alltag vielfach verbringt, getrieben von Rast- und Ruhelosigkeit, nur um  jedem alles Recht zu machen, nur um keine Informationsschiene auszulassen. Ich liebe Sprichwörter, weil sie ja vielfach einen hohen Wahrheitsgehalt haben. Kennen Sie jenes „Willst du was gelten, mach dich selten!“. Für mich ist es in erster Linie keine ökonomische Frage, einfach mal abzutauchen. Es ist ein streitbarer Diskussionspunkt, ob man sich im Zeitalter von Facebook, Twitter, Instagram und Co. tatsächlich dem permanenten informationsflutartigen Overkill ausliefern muss? Ist manchmal nicht weniger auch mehr? Mittlerweile mach ich es mir fast schon zum Hobby, auf irgendwelche Nachrichten nicht prompt zu reagieren. Insbesondere bei jenen Zeitgenossen, die zuerst eine Mail senden, um dann eine WhatsApp Nachricht hinterher zu schicken, dass man elektronische Post erhalten hat. Gesteigert wird dieser vollkommen sinnentleerte Akt nur noch davon, dass er oder sie dann auch noch anruft, um mitzuteilen, dass es eine E-Mail im Posteingang gibt, die nach Beantwortung lechzt. Das sich neu etablierende Gebiet der Unterbrechungswissenschaft kann da einige interessante Hinweise geben, was es für den Homo sapiens bedeutet, ständig aus seinem Rhythmus geholt zu werden, um in Echtzeit oft nur Informationsmüll zu bearbeiten! Das Gehirn benötigt nach jedem Abbruch eines Denkprozesses wiederum Minuten, um zu einer vorangegangenen Fragestellung zurückzufinden, sind sich Wissenschafter einig. Daran sollten wir alle viel öfter denken, bevor wir reflexartig der Fehleinschätzung unterliegen, dass wir den überbordenden Informationsfluss nicht unterbrechen können. Pause! Stopptaste! Innehalten! Sich nicht seiner Lebenszeit berauben lassen, könnten da nützliche Stichwörter sein!

Kennen Sie eigentlich den glücklichsten Mensch der Welt? Im Rahmen einer Studie erstellten Forscher der Universität von Wisconsin einen Scan eines 69-jährigen Franzosen. Dabei stellten sie eine ungewöhnlich starke Aktivität in seiner linken Gehirnhälfte fest. Die Aktivität der rechten Seite war im Vergleich sehr schwach. Je stärker der linke Bereich ausgeprägt ist, desto positivere Gefühle hat der Mensch, so die Erkenntnis. Der Name des Glückskinds ist Matthieu Richard, 69, ein buddhistischer Mönch, der laut Wissenschaftlern jener Mensch auf unserem Planten ist, der einfach zufrieden, anspruchslos und ausgeglichen lebt. Was lösen diese Begrifflichkeiten bei Ihnen aus? So schnell gesagt, so schwer erreichbar im täglichen Leben? Matthieu Richard sagt: Wenn ihr immer nur ich, ich, ich denkt, seid ihr eures eigenen Unglücks Schmied. Wer seine Gedanken immer um sich selbst kreisen lässt und überlegt, wie er Dinge besser machen könnte, wird schnell angestrengt, gestresst – und eben unglücklich. Es ist weniger eine Sache der Moral. Es liegt einfach daran, dass es erstickend ist, den ganzen Tag über sich selbst nachzudenken. Und es ist schlecht, weil man die restliche Welt als Bedrohung ansieht oder nur in Bezug auf sich selbst wahrnimmt.“ Was ist die Botschaft? „Ein Geist muss ebenso diszipliniert trainiert werden, wie ein Körper bei einem Marathontraining,“ glaubt Richard. Er ist überzeugt, dass jeder gesunde Mensch das Potenzial hat, zufrieden und gut zu sein. 15 Minuten täglich dauert laut dem lebensweisen Mönch der Weg ins innere Glück! Einfach mal diese knappe Zeit positiven Gedanken widmen, lautet ein konkreter Ratschlag. Wann denken wir noch schön? Haben wir das nicht alle ein wenig verlernt? Neurowissenschafter unterstützen übrigens diese 15 Minuten Formel. Und auch wenn es 20 Minuten sein sollen, glauben Sie ans Glück. Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommerausklang und einen guten Start ins letzte Viertel des verbleibenden Jahres!