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Asche auf mein Haupt!

Tue das, was du sagst! Sage das, was du tust! Ich bin nicht sicher, auf wen sich dieses Postulat gründet, aber irgendwie schien es mir immer recht plausibel und auf meine Person anwendbar. Stichwort: Glaubwürdigkeit. Seit letzter Woche bin davon nicht mehr ganz so überzeugt. Ich glaube sogar, ich habe ein veritables Authentizitätsproblem. Und zwar trug es sich folgendermaßen zu: Ich hatte eine Einladung auf Schloss Dyck bei Aachen für die RWTH International Acadamy einen Vortrag über die Zukunft der Städte zu halten. Ich entschied mich für eine unkonventionelle Herangehensweise an das Thema. Unter anderem hatte ich geplant, über die Rast- und Ruhelosigkeit unserer Nonstopgesellschaft zu referieren und über diesen Spannungsbogen auf die Città slow – Bewegung zu sprechen zu kommen, eine Initiative, die sich europaweit die Entschleunigung unserer Städte zum Auftrag gemacht hat. Entschleunigung ist ja ein großes Thema für mich und ich denke, die Balance zwischen Beschleunigung und Verlangsamung zu finden, wird heute mehr und mehr zur Kernkompetenz. In meinen Statements spreche ich mich oft und gerne für eine „Adaptierung unserer Lebensgeschwindigkeit“ aus und dafür „die Langsamkeit als neue Qualität zu entdecken.“

Und dann das! Eyjafjallajökull spuckte, mein Flug wurde abgesagt und ich ließ mich überzeugen, mit dem Auto von Wien nach Nürnberg zu rasen, um um 15:00 den ICE nach Düsseldorf zu erwischen und von dort mit dem Taxi nach Aaachen zu fahren, wo ich mit geraumer Verspätung eintraf, mich glaubwürdig über die unsere rastlose Gesellschaft verbreitete, um am nächsten Morgen… Sie erraten es: Taxi nach Düsseldorf – ICE nach Nürnberg – Auto nach Wien. Am Sonntag lief ich dann übrigens noch einen Halbmarathon. Entschleunigung, das ich nicht lache! Ich bin ein fleischgewordenes Paradoxon. So sehr mich diese Widersprüchlichkeit auch amüsiert, ein wenig nachdenklich macht Sie mich auch. Unsere moderne Zivilisation ist widerstandsfähiger geworden und in der Lage, Situationen zu meistern, die die Menschen in der Vergangenheit ertragen mussten. Doch zugleich haben wachsende Komplexität und Interdependenz ihre Verwundbarkeit erhöht. Wenn vitale Versorgungsstränge, ob für Elektrizität oder Benzin, blockiert werden, droht binnen kürzester Frist das gesellschaftliche Gesamtgefüge empfindlich gestört zu werden. Auch die Formel unseres modernen Nomadentums „Wir haben doch keine Zeit.“ führt sich dann schnell ad absurdum.

Und von wegen : Macht Euch die Erde Untertan. In den letzten Tagen demonstrierte ein isländischer Vulkan eindrucksvoll, wer hier die Hosen anhat. Es ist mitnichten der starke Arm streikwilliger Piloten oder Fluglotsen, der alle Räder still- und die Flugzeuge am Boden stehen lässt. Es ist die Mutter Natur höchstpersönlich! Wenn Sie nicht will, heißt das Zwangspause. Getaktete Flugzeugstarts hin, Staatsbegräbnisse her. Vielleicht ist dies der rechte Augenblick, um über die Macht von Terminkalendern nachzudenken, das Muss, das Schneller-Besser-Weiter und all das andere, dem wir uns selber bereitwillig Untertan machen. * Auf Facebook hatte Eyjafjallajökull übrigens binnen weniger Tage satte 27000 Fans. Einer von Ihnen, Eivind Espenes aus Norwegen postete: „Dear Volcano. Thank you for spewing out ash so I could keep my girlfriend for an extra week while the planes were grounded.“ Wahrscheinlich ist ja alles nur eine Frage des Blickwinkels.

* Quelle: Braunschweiger Zeitung