Konsequenz, Herr Greber!
Man stelle sich vor, ein Politiker würde seine missglückten Formulierungen mit den Worten “Sie sind in der Eile der Produktion ungeschickt verfasst worden und können leicht missverstanden werden.” dem Volk erklären. Die Medienmeute würde ihn jagen, ihn sprichwörtlich wie eine Sau durchs Dorf treiben, bis er dann nach anfänglichen Durchhalteparolen irgendwann unter dem immer stärker werdenden öffentlichen Druck zusammenbricht. Irgendein oder mehrere Journalisten würden sich dann die Hände reiben und es genießen, wieder mal eine (politische) Trophäe in den Fingern zu halten. Stolz darauf, sich als Moralwächter der Nation entsprechend in Szene gesetzt und inszeniert zu haben. Als Teil einer letzten Macht im Staat, die als unfehlbar gilt.
Wenn die ungeschriebenen Gesetzmäßigkeiten dieser Branche nicht nur nach dem allseits beliebten Motto “Wasser predigen und Wein saufen” funktionieren würden, dann müsste ein gewisser Herr Wolfgang Greber schleunigst seinen Rücktritt bei seinem Arbeitgeber “Die Presse” einreichen. Man sitzt fassungslos hier und denkt sich zumindest in meinem Fall, was muss dieser Redakteur für ein unsagbares Arschloch sein, wenn er nichts dabei findet, in der Sonntagsausgabe seiner Zeitung darüber zu belehren, wie die von ihm in “homöopathischen Dosen” verabreichte Misshandlung seines dreijährigen Sohnes zum aktuellen Regelwerk der von ihm gut geheißenen Erziehungsphilosophie gehört. „Okay ist Übers-Knie-Legen”, denn er würde das Kind ja ohnehin „nur mit leichtem Klopfen“ schlagen. Um dann seine Handgreiflichkeiten weiter zu präzisieren: „Ich stehe zum Ohrenzieher. Wozu ich wirklich stehe, ist der Ohrenzieher als strengste Sanktion: Da wird M. nach ,1, 2, 3′ am Ohr gezogen. Nicht fest, aber doch”. Als ultimative Empfehlung hat er für seine hoffentlich geringe Leserschaft noch einen letzten Insidertipp eines offensichtlich misshandelnden Vaters parat: „Drohungen aber müssen (1) selten sein, denn Inflation frisst den Wert. Sie müssen auch (…) konsequent, konsequent und konsequent noch mal umgesetzt werden: Wer Strafe nicht vollzieht, macht sich unglaubwürdig.“ Was muss das für ein Mensch sein, der im 21. Jahrhundert so eine Denkweise an den Tag legt. Als Vater einer minderjährigen Tochter kotze ich mich ob solch eines Gedankenguts fast an, wenn ich mir vorstelle, mit welchen Weltbildern manche meiner Mitbürger auf wehrlose kleine Kinder zugehen!
„Die Presse“–Chefredakteur Rainer Nowak braucht mehr als einen Tag, um sich auf www.diepresse.com für diese Entgleisung zu entschuldigen und zu betonen, dass die von seinem Mitarbeiter sozusagen propagierte „g’sunde Watsch’n” nicht der Blattlinie entspricht. Gratuliere! Und der sonst für Außenpolitik zuständige Herr Greber findet erst auf Druck seines Chefs die nötige Distanz zu all diesem Mist, den dieser möglicherweise nicht nur im Job überforderte Mensch unter so großem Druck schreiben musste. Was ist das für eine billige und blamable Ausrede! Übrigens ist in Österreich jede Form von Gewaltanwendung gegen Kinder als Erziehungsmittel seit 1989 gesetzlich verboten und im Februar 2011 wurde dazu sogar ein eigenes Bundesverfassungsgesetz über die Rechte der Kinder beschlossen: „Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten.“ Der Blogger Michael Bonvalot hält folgerichtig fest, “das Verhalten von Greber verstößt höchstwahrscheinlich gegen die geltende Gesetzeslage zum Schutz von Kindern”. Um nochmals zum Spannungsfeld von Politik und Medien und auch umgekehrt zurückzukehren. Ein Politiker wüsste, was er ob solch gedanklicher und rückwärtsgewandter Aussonderungen zu tun hätte. Und wüsste er es nicht, die Medien würden ihm mit Recht das Handwerk legen!