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Sag nie wieder „Jawohl!“

Hand aufs braune Herz, die Assoziation mit der Reichskristallnacht hat sich ja quasi aufgedrängt. Demonstrationsrecht hin, Meinungsfreiheit her: Man darf ihm nicht wirklich böse sein. Von den linkslinken Gutmenschen beschimpft, von den bösen Medien erst verfolgt und dann absichtlich missinterpretiert. Ich denke, Shlomo Strache Grissemann und Stermann) und seine Freunde mit den Rasierfehlern haben genug gelitten.

Das verleitet mich zu einer Rückblende: Als 1988 des 50. Jahrestages des Einmarsches der braunen Truppen gedacht wurde, habe ich mich erstmalig intensiver mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. In der Schule war die Aufarbeitung dieses Kapitels durch die Vergangenheit des Geschichtslehrers ein wenig gefärbt, im Elternhaus war dieses Thema nie Thema gewesen. Ich machte mich auf in das ferne und mir als Kind vom Land noch weitgehend unbekannte Wien, um im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes nach braunen Spuren meiner Heimatstadt Köflach zu suchen. Es gab damals noch keine digitalisierten Archive, stattdessen Unmengen von Akten, die zur Recherche bereit lagen. Ich empfand es als interessant und bedrückend zugleich, die Polizeiprotokolle der NSDAP nachzulesen. Viele Namen in den Protokollen waren mir aus meiner Heimatstadt nur allzu gut bekannt. Dabei auch einiges an provinzieller Prominenz, vom erfolgreichen Anwalt bis zum angesehenen Schuldirektor. Geachtete Bürger, wie man so sagt. Nur eben mit bedenklicher Vergangenheit. Ein “großer Sohn” Köflachs war zu besonderen Ehren gekommen. Der weststeirische Heimatdichter Hans Kloepfer hatte in zahlreichen Ausgaben der Weststeirischen Volkszeitung Huldigungen über den Führer verfasst, was ihm von der Regierung des dritten Reiches die Goethe-Medaille und anlässlich seines Todes im Jahr 1944 eine persönliche Kranzspende des Führers eingebracht hatte, wie ich im Zeitungsarchiv des Widerstandes nachlesen konnte.

Mit einer großen Anzahl kopierter Polizeiprotokolle und Zeitungsmeldungen aus der guten alten Zeit trat ich meine Rückreise an. Aufgearbeitet wurde mein Fundus dann in Form einer öffentlichen Lesetrilogie, die ich mit ein paar Freunden organisiert hatte. Und die Veranstaltung zu bewerben, verteilten wir auf dem Hauptplatz der Bezirkshauptstadt Voitsberg Flugblätter, ganz bewusst vor einem Wohnhaus, das noch im Jahr 1988 (!) das Straßenschild “Adolf-Hitler-Platz” montiert hatte! Der Hausbesitzer stellte uns zur Rede, wurde handgreiflich, ohrfeigte uns. Die Polizei wurde alarmiert, der eilends herbeigerufene Bürgermeister beschimpfte uns und stellte sich demonstrativ vor den Hausbesitzer mit dem einschlägigen Hausschild, das heute wahrscheinlich unter Wiederbetätigung fallen würde.

Trotz aller Stolpersteine: Unsere improvisierte Veranstaltungsserie eröffnete vielen Bürgern Köflachs einen neuen Blick auf ihr Umfeld. Die Leute im Publikum saßen mit offenem Mund da, als aus den Polizeiprotokollen vorgelesen wurde, die zum besseren Verständnis in vergrößerter Form auf die Wände des Veranstaltungslokals affichiert wurden. Einige honorige ältere Köflacher beschimpften uns, aber das hatten wir erwartet. Nahezu tumultartig wurde es dann, als wir bei einer Veranstaltung, die den Titel “Der andere Hans Kloepfer” trug, seine Jubelgedichte über den Führer öffentlich vortragen ließen. Bürgermeister, Kulturstadtrat und Fremdenverkehrsobmann beschimpften uns unisono: Wir brächten verdienstvolle Bürger in Verruf, den Tourismus in Gefahr und Köflach ins Gerede.

Das war 1988! Mein „ziviler Ungehorsam“ hat sich seither nicht gelegt. Im Gegenteil: Ich bin überzeugt davon, dass jede noch so kleine Angelegenheit zum Anlass genommen werden muss, um auf die Verbrechen dieses Unrechtsregimes hinzuweisen. Wenn ein Klubobmann einer demokratisch gewählten Partei im Jahr 2012 einen derartigen Schwachsinn schwadroniert, dann gehört das so lange öffentlich besprochen, bis er seinen Platz räumt! Dass er noch immer dort sitzen darf, ist Teil der politischen Unkultur in diesem Land. Oder wie es Oskar Werner es im US-Streifen Das Narrenschiff als Dr. Willie Schumann aussprach: “Sagt nie wieder jawohl, damit hat der Ganze Scheiß begonnen!”