Die Macht der Worte!
Musik hat mich nie sonderlich interessiert, auch wenn ich mit einigen Episoden meiner klangvollen Darbietungen aufwarten könnte. So war ich beispielsweise das einzige Kind meines Jahrganges, dem bei der Vorspielstunde der Musikschule der Gang auf die Bühne verwehrt wurde. Der Musikschuldirektor höchst persönlich hatte mir den Auftritt untersagt. Er ließ mich vor meinen Mitschülern öffentlich scheitern, wenn Sie so wollen. Das war das Ende meiner kurzen, aber durchaus emotionalen musikalischen Laufbahn. In weiterer Folge besuchte ich als Jugendlicher so manches Konzert, wenngleich die Musik nicht der wirkliche Anlass war, sich in irgendwelche dröhnenden Hallen zu begeben, es war vielmehr das Gemeinschaftserlebnis mit Freunden. Mein Großvater väterlicherseits, der schon vor meiner Geburt verstorben war, soll ein guter Musikant gewesen sein, der mehrere Instrumente beherrschte. Mir wurde diese Gabe zu 100 % nicht weitervererbt, das kann ich mit gesicherter Erkenntnis über mich behaupten. Daher kann ich zwar für mich beurteilen, welches Genre mir gefällt oder auch nicht, aber ob jemand die Saite oder den Ton exakt trifft, kann ich nicht bewerten. Die Musik und ich haben ein ambivalentes Verhältnis zueinander, würde ich behaupten, manchmal nehme ich lediglich als Medienkonsument von ihr Notiz, so wie heute bei der morgendlichen Zeitungslektüre.
Das bestimmende Thema war der Tod der Sängerin Whitney Houston, die ihren Auftritt bei der Verleihung des Grammy in Los Angeles nicht mehr erleben sollte. Ein tragisches Ende einer glanzvollen Karriere! Nach unzähligen Entziehungskuren startete die Souldiva vor knapp zwei Jahren einen misslungenen Comeback-Versuch. Das Magazin “Stern” verkündete damals: “Diese Frau gehört nicht mehr auf die Bühne. Es sollte ihr vielumjubeltes Comeback werden. Auf ihrer Welttournee gibt Whitney Houston auch zehn Konzerte in deutschen Großstädten. Schon bei ihrem ersten Auftritt in Berlin enttäuschte Whitney ihre Fans bitterlich. Der Absturz einer Diva.” So viel zum Thema, gib jemandem eine zweite oder dritte Chance. Ich will mich jetzt nicht als Psychologe betätigen, aber was löst das in einem Menschen aus, der nach einer schwierigen Zeit nochmals versucht durchzustarten, aber eigentlich keine Chance mehr bekommt, außer jene der öffentlichen Demütigung. Wenn man dann heute die Nachrufe in einigen Zeitungen liest, dann kommt einem wirklich das Kotzen. Einige von jenen, die Whitney Houston noch 2010 öffentlich vorgeführt haben, schreiben heute die Tränen einflößenden Nachrufe, gefühlvoll und warmherzig. Was für eine erbärmliche Doppelmoral! Die Medien sind nicht schuld am Tod der dunkelhäutigen Ausnahmekünstlerin, sie haben aber eine große Verantwortung und ebensolche Vorbildfunktion für ein Grundklima, in dem Menschen leben. Worte, ob geschrieben oder gesprochen, können eine unglaubliche Kraft entwickeln.
Vor einiger Zeit habe ich einen Vortrag vor knapp 200 jungen Unternehmern gehalten. Ich habe in einem Saal des Austria Center Vienna über das Scheitern, über Chancen nach einer Niederlage, über die Höhen und Tiefen des Lebens gesprochen. Nach dem Referat kam ein Mann zu mir, der mich fragte, ob ich wüsste, woher die kaiserliche Grußformel „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“ komme. Ich verneinte, und der ältere Herr erzählte mir folgende Geschichte: Es gab einmal einen österreichischen Kaiser, der immer gesagt hat: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!“. Das ist auch heute noch eine sehr beliebte Floskel, wenn man sozusagen im noch immer barocken Wien verkehrt. Dieses zum österreichischen Sprachgebrauch gehörende Zitat hat aber eine tragische Geschichte zur Grundlage. 1869 wurde das damalige k.u.k. Hofoperntheater in Wien eröffnet. Dieser Prachtbau an der Ringstraße, die heutige Staatsoper, wurde unter anderem vom Architekten Eduard van der Nüll erbaut. Der Architekt hat sich das Leben genommen, nachdem Kaiser Franz Josef diesen Bau wie andere Menschen auch kritisiert hat. Daraufhin hat sich der Kaiser nur mehr auf Fragen, die möglicherweise Kritik zur Antwort gehabt hätten, mit den Worten „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!“ geäußert, um die Kritik zu verbergen.
Der besondere Hinweis ist weniger das Zitat, sondern die Verantwortung, die wir alle haben in der Verwendung von Wörtern. Dass Worte Waffen sind, wurde schon mehrfach in der Literatur festgestellt. Egal ob im Privaten oder in Führungspositionen, sollten wir uns öfter mal fragen, welche Bedeutung Worte haben. Welche Wirkung das Gesagte für ein Gegenüber hat. Was das Gesagte für den anderen bedeutet, wenn man manchmal in einem emotional negativen Zustand Worte über die Lippen bringt, die man später bereut. Die richtige Wahl der Worte ist eine große Verantwortung, ob als Führungskraft, ob am Arbeitsplatz oder im Privaten, die wir alle haben!