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Runter von der Couch!

Vergangene Woche in New York: Beim Spaziergang durch Manhattan kommt mir ein junger Mann als lebende Litfaßsäule entgegen. Auf der Toilette des Waldorf Astoria reicht eine ältere Dame den Gästen Handtücher. Vermutlich werden die beiden mit ihren Mc Jobs keine großen Sprünge machen, aber was solls: It is a job. Und das ist die Hauptsache. Hierzulande hätten sich die zwei möglicherweise schon beim AMS* angestellt. Angesichts der beiden Begegnungen drängt sich mir wieder einmal dieser gewaltige Mentalitätsunterschied in Sachen Eigeninitiative ins Bild. Keine Sorge, ich erspare Ihnen eine Suada über den ausgereizten Mythos im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ und dennoch ist der Vergleich mit dem Land der Raunzer und Nörgler unausweichlich.

Da stecken wir in der größten Wirtschaftskrise seit den 30-er Jahren und was machen die Leute: Sie verharren in Starre, Lethargie und Antriebslosigkeit. Da konsumieren Menschen Arbeitslosengeld, weil sie für nur 1500 Euro nicht bereit sind, ihren A… von der Couch zu erheben oder der angebotene Job nicht ihrem vor 30 Jahren erlernten Beruf entspricht. In einer Runde von US-Amerikanern lautet die eingangs gestellt Frage so gut wie immer „What do you do for living?“. Die Frage allein impliziert schon eine Grundhaltung: Es geht darum, womit du dir derzeit deinen Lebensunterhalt verdienst. Ob die Antwort nun lautet „Ich leite einen multinationalen Konzern“ oder „ich trage Pizza aus“, ist nicht weiter von Bedeutung, schließlich geht es um eine Momentaufnahme des Lebens, Veränderung und Aufstieg sind da jederzeit möglich und wenn es eine gute „Opportunity“ ergreift man sie halt. So einfach ist das. Nicht so in good old Europe, wo stures Festhalten am einmal erlernten, neurotisches Schubladendenken und gebetsmühlenartige Lamentieren über „die da oben“ zum ein mal eins der Sozialromantik gehören.

Vielleicht ist es gar nicht die Schuld der Leute, vielleicht haben fünfzig Jahre Sozialstaat jede Eigeninitiative im Keim erstickt und diese Vollkasko-Mentalität ist systemimmanent. Von der Eigenheimförderung bis zur Pendlerpauschale, vom Ehegattensplitting, bis zum Pflegegeld, vom Arbeitslosengeld bis zur Ambulanzgebühr: Sozialpolitische Maßnahmen setzen Orientierungsdaten der Lebensführung. Mieten, kaufen oder bauen, unehelich zusammenleben oder heiraten, studieren oder Lehre machen, Kinder haben oder nicht haben, Minijob annehmen oder gleich schwarzarbeiten, zum Arzt gehen oder sich selbst kurieren: Unzählige Lebensentscheidungen, im Kleinen wie im Großen, sind von der Existenz und Gestalt des Sozialstaats wenn nicht bestimmt, so doch maßgeblich geprägt.

Aber der Sozialstaat ist nicht Rundumversorger für alle Lebenslagen. Er soll Sicherheit und Würde gegen die großen Lebensrisiken von Alter, Krankheit, Pflege und Arbeitslosigkeit bieten, gegen die sich der einzelne nicht wirksam absichern kann. Mehr noch: Der Staat greift zu stark in die Wirtschaft ein, nimmt den Bürgern mit Regeln und Steuern ihre Gestaltungsfreiheit. Das Sozialsystem ist teuer und unwirksam. Jungunternehmer laufen gegen die Gummiwände der Bürokraten, und wegen des strengen, vermeintlich arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsrechts stellen viele Unternehmen ganz einfach nicht mehr ein. Beim ersten Anlauf in Richtung Eigeninitiative bekommt man sehr schnell zu hören, warum eine Idee nicht funktionieren wird, was alles schiefgehen könnte und warum so ähnliche Ideen schon früher nicht geklappt haben. Skepsis herrscht auf allen Ebenen, bei Kunden, Mitarbeitern, Geldgebern und der Presse. Hätte Bill Gates versucht, in Europa ein Unternehmen zu gründen, hätte wohl noch nie jemand etwas von Microsoft gehört. Dieses System hinkt doch. Oder ist es nicht pervers, dass man seinen Job einfach kündigen und sich anschließend hinstellen und Arbeitslosengeld verlangen kann. Und man bekommt es auch noch. Man kann hierzulande gut leben, ohne etwas zu tun – das ist doch absurd!

Die Folgen sind an jeder Ecke sichtbar: Fehlende Motivation und Anspruchsdenken ersticken jegliche Eigeninitiative. Nicht nur Österreich, ganz Europa fehle es an Dynamik, an Mut, an Veränderungswillen, an der Freude am Problemlösen, überhaupt an Ehrgeiz. Was wir hierzulande brauchen ist Leidenschaft, Mut zum Risiko, Spaß am Versuchen und am Unternehmen. Auf der Basis einer Versicherung werden wir nicht glücklich. Die Voraussetzung, in dieser neuen Zeit glücklich zu werden, ist aber der gesellschaftliche Wille dazu. Ohne den kommt keine Wirtschaft aus. Also, runter von der Couch!

* Österreichisches Arbeitsmarktservice