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Seelig die Armen

Das generelle Bettelverbot für die Steiermark ist durch. In Zeiten steigender Armut und sinkender Sozialbudgets hat die Politik also die Lösung gefunden: Sie verbietet das Arm sein ganz einfach. Und einmal mehr hat die österreichische Gesetzgebung eindrucksvoll bewiesen, dass sie mit Vorliebe Symptome statt Ursachen bekämpft. Da muss man schon Verständnis haben: Differenzierte Auseinandersetzung mit strukturellen Problemen ist ja auch wahnsinnig anstrengend. Und ganz nebenbei schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe: das Straßenbild wird gleich viel netter, der Wohlfühlfaktor beim Einkaufsbummel steigt und auch bei den Touristen wird die Gesindel freie Stadt mit Herz sicher gut ankommen. Jeder ist beruhigt, vor allem die Volksseele. Und die Geiz-ist-Geil-Gesellschaft kann mit dem Tagesgeschäft fortfahren.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch mich stören die Bettler manchmal. Aber ich denke mir, dass kaum jemand in der Lage ist, zu unterscheiden, ob die Menschen tatsächlich bedürftig sind oder, ob es sich um organisierte Bettelei handelt, so diese nicht ohnehin eine Urban Legend ist. Werden als nächste Gruppe Arbeitslose aus dem Alltag verbannt? Und dann vielleicht auch noch Kranke? All jene, die das Bild der heilen Welt stören? Nach dem Motto: Was man nicht sieht, gibt es auch nicht? Das Schema ist bekannt. In Wien spielt die bekennende Christin Dr. Stenzel, ihres Zeichens Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt, dieses Spielchen seit langem mit der Drogenszene, die sie vom Karlplatz zum Praterstern expediert hat, um den Opernbesuchern und sonstiger elitärer Klientel in Ihrem Verwaltungsbezirk den traurigen Anblick der Junkies zu ersparen.

Apropos Christen: Der Antrag zum steirischen Bettelverbot kam ja von der ÖVP (durchgezogen wurde die Maßnahme dann gemeinsam mit der SPÖ gegen die Stimmen von Grünen, KPÖ und FPÖ), die sich laut Grundsatzprogramm auf die christlichen und humanistischen Werte Europas beruft. Ich zähle mich nicht zu den Kerzerlschlickern und Gutmenschinnen und Zynismus liegt mir fern, aber: Kennen die Herrschaften ihr eigenes Regelwerk? „Selig ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.“, heißt es da bei Matthäus 5,1-12a. Da ergibt sich schon ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem. Und davon abgesehen: Wäre die Leidenschaft in der Debatte nicht vielmehr angebracht, wenn sich die jungen, feschen, intelligenten Menschen dieses Landes an öffentlichem Eigentum bereichern? Welch traurige, ratlose, kleingeistige, kurzsichtige, feige, scheinheilige Politik. Pfui!

Anmerkung: Der Grazer Pfarrer Wolfgang Pucher appellierte an den Landtags-Unterausschuss, die Entscheidung so lange aufzuschieben, bis der Verfassungsgerichtshof geprüft hat, ob ein generelles Bettelverbot überhaupt zulässig ist und initiierte spontan eine Onlinepetition. Unter http://www.vinzi.at/petition.php kann man sich eintragen.