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Hausverstand per Postversand

Als ich 2008 mit meiner Co-Autorin Christine Steindorfer mein erstes Scheiterbuch “Die Kraft des Scheiterns” veröffentlichte, gab es viele Menschen, die uns zur Themenwahl gratulierten, aber es war eher hinter vorgehaltener Hand. Außer den Medien, vom Spiegel abwärts, wollte niemand so recht über die Frage des Scheiterns öffentlich diskutieren, da es eher unserem Naturell entspricht, über Glanz und Glitzer zu philosophieren als über die Schattenseiten des Lebens. Die sinnentleerte Unterhaltungsindustrie suggeriert ja den Menschen in unzähligen Formaten, dass es kein Verlieren im normalen Leben gibt, außer in irgendwelchen Ekelshows, in welchen Prohibitionisten, die für ein wenig Öffentlichkeit nahezu alles vor laufender Kamera tun und machen würden. Ansonsten bewegen wir uns in Superlativen: immer schneller, immer besser, immer reicher, immer schöner. Das Ergebnis dieser Fehlentwicklung können wir dann in vollkommen falschen Idealen erkennen, denen Menschen nacheifern.

Mich beeindruckt viel mehr, wenn Menschen abseits des medial verordneten Mainstreams Dinge tun, Ideen ausprobieren, auch auf die Gefahr hin zu scheitern. Ich weiß selbst aus eigener Erfahrung, wovon ich spreche und von wie vielen auf und ab´s der Weg bis zum Ziel gepflastert sein kann. Wenn ich in Diskussionen nach meinen Vorträgen oder in Interviews nach einer Formel gefragt werde, wie man Scheitern verhindern könnte, dann antworte ich mittlerweile nahezu standardisiert mit “Stehen Sie einmal öfter auf, als Sie hingefallen sind”. Und bei näherer Betrachtung vieler Erfolgsgeschichten stimmt in deren historischer Beurteilung diese banal klingende Erkenntnis. Große Geschichten, Erfolgsstorys haben den Charme des Pionierhaften, Menschen haben an eine Sache geglaubt, ein Ziel verfolgt, manchmal auch in Etappen einzelne Schritte revidiert, aber immer an ein großes Vorhaben geglaubt und weitergemacht – sie haben schlichtweg den längeren Atem bewiesen.

An eine Sache zu  glauben ist für die Umsetzung von Ideen eine gute Basis, eine Vision umzusetzen ist das Ziel. Es muss doch für viele Menschen frustrierend sein, irgendwann auf ein Leben der ungenutzten Chancen zurückzublicken. Ich für mich kann behaupten, auf der Liste der Ideen wenig an unerledigten Aufgaben zu haben. Das ist ein Gefühl an innerer Freiheit, das auch da und dort die Schrammen der Vergangenheit, die Niederlagen, das Scheitern übertüncht.

Es muss 2009 gewesen sein, da habe ich in Vorträgen in Deutschland immer wieder ein Bild des Komikers Dieter Hallervorden an die Wand projiziert und dazu ein Zitat aus einem Zeitungsinterview gebracht, das er ein einmal gegeben hatte. Auf die Frage, warum er das Steglitzer Schlosspark-Theater in Berlin gekauft hatte, antworte er mit „In den kommenden Monaten werde ich allen Warnungen zum Trotz meine ganze Kraft und einen nicht unerheblichen Teil meiner Ersparnisse dafür einsetzen, um neue Projekte zu starten. In einer Zeit, in der andere die Lucken dicht machen, setzte ich bewusste Zeichen für einen Neuanfang, Mut und Risikobereitschaft!“. Krisen sind auch Chancen, das übersehen viele Zeitgenossen wie ich meine, insbesondere Menschen, die den Alltag nur erleiden, so mein Eindruck.

George Tziralis heißt ein 30 jähriger Grieche, der der gesamten Situation in seiner Heimat etwas Positives abgewinnen kann. Der *Süddeutschen Zeitung gab der erfolgreiche Unternehmer auf die Frage, warum er gerade jetzt Start-ups als Investor fördere zu Protokoll “Weil gerade jetzt Menschen bereit sind, Risiken auf sich zu nehmen. Sie gründen eher ein Unternehmen, als sich für den öffentlichen Dienst zu bewerben. Da wird sowieso gespart. Gerade in Zeiten des Umbruchs können ihre Ideen große Wirkung haben.” Um dann weiter zu schlussfolgern: ”Wer das Meer überqueren möchte, darf sich nicht vom Verkehr im Hafen aufhalten lassen.” Oder auf meine Anti-Scheiter-Formel heruntergebrochen: “Stehen Sie einmal öfter auf, als Sie hingefallen sind”. Zwei spanische Jungunternehmer nutzen die Krise ebenso, um daraus einen Erfolg werden zu lassen. Sie gründeten die *Webseite www.mamamandame.com (etwa: Mama, schick es mir), die mit 200 urspanischen Lebensmitteln und Produkten bestückt ist. Mittlerweile werden Artikel und Waren in über 26 Länder verschickt, vornehmlich an spanische Auswanderer. „Was wissen die da draußen schon von Kroketten, guten Linsen, Kutteln oder Paella mit Meeresfrüchten? Gar nichts“, heißt es auf der Webseite. „Der Spanier allein in der Fremde, ohne Möglichkeit, sich adäquat zu stärken, das darf nicht sein“, meint Alejandro Casanova, einer der Gründer. Jetzt werden wir nicht alle rund um die Welt Lebensmittel versenden können, um die Krise und das Heimweh zu bewältigen, aber oft scheint der Hausverstand gepaart mit ein wenig Mut eine gute Basis zu sein, um Neues entstehen zu lassen.

* http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ * http://www.welt.de/print/die_welt/