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Schwammerlzeit

Bleiben wir doch bei den Fakten! Ein berufsjugendlicher Zahntechniker mit Hang zu üppigen Blondinen und Ballerspielen im Wienerwald macht sich auf, freie Frauen zu schützen und das altehrwürdige Wiener Stadtbild vor störenden Türmchen zu bewahren. In seiner Freizeit schwingt er gerne mit jungen Menschen das Tanzbein und versucht sich im Deutschrap. Sein Zahntechnikerdeutsch hat er sich in etlichen NLP-Stunden und Medientrainings auf ein ansehnliches Niveau upgraden lassen, sodass er die lustigen Reime, die ihm sein Adlatus dichtet, auch flüssig unters Volk bringt.

Möglich, dass er sich 2005, als er an die Spitze seiner Bewegung gehievt wurde, in so manchem Jugendzentrum noch eines gewissen Popstarstatus´ erfreuen konnte. Doch sieben Wahlkämpfe später ist der Bonus des juvenilen Rambos ganz offensichtlich flöten gegangen, geblieben ist ein nicht mehr ganz taufrischer Dampfplauderer mit sichtbarem Bauchansatz. Ein Grüßaugust einer Partei, die außer lockeren Sprüchen nichts zu bieten hat. Oder um einen saisonalen Vergleich herzustellen: Ein Schwammerl.
Viel Lärm um ein politisches Nichts, könnte man meinen. Und vertrauensvoll darauf hoffen, dass die Wählerinnen und Wähler den Braten riechen und sich nach glaubwürdigeren Alternativen umsehen. (Fragen Sie mich bitte nicht welche!) Das für mich ärgerliche: Genau an diesem Punkt kommen einmal mehr die Medien ins Spiel und bieten sich freundlich an als Multiplikatoren des Stumpfsinns, als Markenbildner der Xenophobie, als Stiefelknechte des Rechtsrucks. Wie aus dem Lehrbuch für Marketing und PR werden in höchstmöglicher Frequenz die dummen Parolen so lange reflexhaft wiederholt, bis sie auch in der letzten Wiener Bassenawohnung als Ohrwurm einsickern. Und wie das so ist bei einem Ohrwurm, man muss ihn einfach mit summen, egal ob man will oder nicht. Und schon wird Fremdenhass zum Soundtrack des Wahlherbstes, zur Nummer eins der Themenhitparade.

Ich weiß schon, die Marktschreier und Rattenfänger haben es besonders leicht, wenn die wirtschaftliche Situation schlechter wird. Und dass die Linke – oder das, was man heute so Linke nennt – die Sache jahrelang verschlafen hat, macht die Sache auch nicht besser. Mit einer sorglosen Laissez faire-Politik hat man überall in Europa den polternden Politrambos und ihrer Vereinfachungspolitik Tür und Tor geöffnet. Trotz allem denke ich, man darf die Menschen nicht unterschätzen. Ich denke mir, dass viele langsam spitz kriegen, dass das weichgespülte Bla Bla dieser Damen und Herren nur ein Pontem´ksches Dorf an Floskeln und Worthülsen ist. Die Leute wollen klare Botschaften und keine Parteien mehr, die sich vor den Herausforderungen der Gegenwart wegducken. Ich glaube auch nicht an das Gerede von der Politikverdrossenheit, sondern dass es die Menschen einfach satt haben, nicht ernst genommen werden. Der großartige Hans Magnus Enzensberger brachte es einmal in seiner provokanten Art auf den Punkt: „Es ist der tiefste Wunsch jedes Politikers, dass ihm die Leute nicht mehr dreinreden. Das Volk ist nur lästig.“ Da kann was dran sein. Stattdessen quälen Parlamentarier uns mit gähnend langweiliger Redundanz von Sondersitzung zu Sondersitzung. Inhaltslos. Ergebnislos.

Für mich ist das wirkliche Problem, wie intellektuell ausgehungert die Parteien sind, wie konzeptlos agiert wird und welche Personen die Staatsgeschäfte führen. Und es fehlt auch daran, dass wirklich mit globalen Antworten, auf globale Fragen reagiert wird. Dazu bräuchte es nämlich Dimensionsbewusstsein. Eine Kompetenz, die man hierzulande fast in jedem Lager vergeblich sucht. Der von mir so hochgeschätzte deutsche Altkanzler Helmut Schmidt hat eine Eigenheit: Wenn ihm in einem Interview eine Frage gestellt wird, nimmt er sich stets einige Sekunden Zeit, um über seine Antwort nachzudenken, die dann auch immer durchdacht und reflektiert ausfällt. Was für ein krasser Gegensatz zu den aufgeblähten Egos mancher Möchtegern-Staatsmänner, die nicht einmal eine Frage abwarten können, bevor sie reflexartig den Salmon widergeben, den ihnen ihre Masterminds eingetrichtert haben. Nicht dass ich ein großer Fan dieses Magazins wäre, aber dass Euke Frank als Chefredakteurin von WOMAN sich die Freiheit nimmt, Vertreter der oben erwähnten Partei, Hauptproponenten der Dummheit hierzulande, fortan zu ignorieren, gefällt mir ganz gut. Hören wir doch einfach weg, wenn die Dummen am Wort sind und gehen stattdessen Schwammerln suchen!