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Zukunft ist jetzt

Im Zuge meines Aufenthaltes hier in Malaysia habe ich einen Ausflug nach Teronoh, im Bundesstaat Perak unternommen. Möglicherweise ist manchem Leser, der sich ein wenig mit Architektur auseinandersetzt, der Ort bekannt. Ziel meiner Reise war nämlich die Universiti Teknologi Petronas. Neben Bauwerken wie der London City Hall, dem Neuen Reichstag in Berlin, dem Kongresszentrum in Valencia, dem Flughafen Chek Lap Kok in Hongkong oder dem künftigen Two World Trade Center in New York, das 2014 seiner Bestimmung übergeben wird, hat der britische Stararchitekt Norman Foster dieser Stätte der Innovation seine unverwechselbare Handschrift gegeben.

Umringt von grünen Wiesen und Palmen hat der malaysische Mineralölkonzern Petronas hier im Jahr 1995 eine Privatuniversität auf der grünen Wiese errichtet. In unseren Breiten ist dieser staatseigene Konzern eingefleischten Motorsportfans als Hauptsponsor des Mercedes Formel 1 Teams bekannt. Neben dem imageträchtigen Engagement für den Sport, hat die Führung des Konzerns vor rund 20 Jahren erkannt, dass es eine lohnende Anlage in die Zukunft sein könnte, in Forschung und Entwicklung und daher in die nachkommende Generation zu investieren. Dieses Selbstbewusstsein, diesen visionären Spirit, hat uns auch der Rektor der Universität, Dr. Zainal Abidin Haji Kasim, in einem Gespräch spüren lassen.

Beim Rundgang durch die Labors habe ich Dinge gesehen, von denen ich – ohne Übertreibung -nicht geglaubt hätte, dass es sie gibt. Während in unserer Breiten über die Fertigstellung der nächsten Generation von Hybridfahrzeugen diskutiert wird, kann man dort eine Erfindung bestaunen, die aus jedem gängigen Serienfahrzeug ein Hybridauto macht. Ein Nachrüstsatz, der bald Serienreife erlangen soll, macht es möglich. Zu geringsten Kosten und damit leistbar für breite Schichten der Bevölkerung. Ein paar Werkstätten weiter hat eine Forscherin, unterstützt von ihrem Gaststudenten aus Gambia, eine Erfindung gemacht, die in einem durchschnittlichen Krankenhaus den Aufwand an Arbeitszeit um zehntausende Stunden reduziert, wobei die Kosten der Komponenten für die Erfindung um die 200 Euro lagen. In dieser Tonart ging es nahezu in jedem Labor weiter.

Von all den Eindrücken des Tages überwältigt, lese ich zurück im Hotel die heimatlichen Geschehnisse des Tages nach. Ich lese die hundertste Story über die Bildungsdebatte, ich lese von Uniprofessoren die sich überfordert fühlen, ich lese von Studentenvertretern, die aus Prinzip gegen alles protestieren und ich lese von zuständigen Ministern, die wie immer nichts entscheiden. Erlauben Sie mir an dieser Stelle ein paar statistische Daten der Universiti Teknologi Petronas zu erwähnen. Studierende: ca. 4.500 Personen, Professoren: ca. 300, Durchschnittsverdienst eines Professors in Führungsposition: ca. 1.500,00 Euro pro Monat, Studiengebühren pro Semester: 3.000,00 Euro. Verstehen Sie was ich meine?

Wo bitteschön findet bei uns die Debatte um die Innovationskraft unseres Landes statt? Welche Visionen haben wir für die Gestaltung der Zukunft? Und wie binden wir die Universitäten in die Umsetzung dieser Strategien ein? Das ganze muss irgendwo hinter dicken Mauern passieren, denn mir ist davon nichts aufgefallen. Ihnen? Wenn sie mich fragen: Der Zug ist längst abgefahren. Da werden lieber große Energien in den Tanz um das goldene Kalb „Studiengebührenbefreiung“ gesteckt und Heerscharen von Schreibtischattentätern doktern an der Bologna-„Reform“ herum, dabei reicht der visionäre Geist maximal bis zur nächsten Legislaturperiode. Sorry, Ihr lieben Politiker, Studenten und Professoren im fernen Österreich,  wer im Jahr 2011 Bildung nicht als Chance begreift, in die es sich zu investieren lohnt, hat ohnehin gar nichts begriffen. Denn während die knochentrockenen Technokraten an der Zukunft vorbeidenken, hat sie am anderen Ende der Welt längst begonnen.