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Von Gutmenschen und Bosnigln*

Vor zehn Tagen metzelt ein Wahnsinniger in einer Kinderkrippe einer belgischen Kleinstadt zwei Kleinkinder und eine Betreuerin mit einem Messer nieder. Unfassbar. Widerwärtig. Tags darauf bemüht sich ein Poster auf derstandard.at die offenbar trostlose und traumatische Kindheit des Täters als Erklärung für die schreckliche Tat ins Treffen zu führen. Es hat ja so kommen müssen. Sorry, aber diese, ich kann es wirklich nicht anders sagen, Gutmenschen, kotzen mich an. Genauso verteidigen sie unfähige Manager, schließlich wurden die ja unschuldig in den Sog der Finanzkrise hineingezogen. Auch fundamentale Terroristen dürfe man nicht böse sein, sie wurden ja von Kind an auf den Dschihad eingeschworen. Klar, jedes Ding hat zwei Seiten. Audiatur et altera pars, verlangt der Humanist in mir. Aber alles gutheißen, verteidigen und relativieren geht nicht. Es ist nicht alles entschuldbar, erklärbar und relativ. Es hat verdammt noch mal jeder die Verantwortung zu übernehmen für das, was er tut. Diese falsch verstandene Toleranz, diese Gummiwand aus Feminismus, Pazifismus, Klimaschutz, Konsumismus – und über allem thronend die Political Correctness ist unerträglich.

Natürlich, sie haben es nicht leicht, die bourgeoisen Bohemiens, der Bobos, die irgendwann einmal friedensbewegt oder ein bisserl mehr links waren und jetzt für den Partikelfilter im dicken Auto aufzahlen. Im Biedermeier hat man sich vor der Walze der Industrialisierung gefürchtet und in den lauschigen Innenhof geflüchtet, in dem das Brünnlein fröhlich gluckste. Heute gibt es auch diese dumpfe Ahnung, dass es so, wie es bisher war, nicht bleiben wird. Schlagwort: Globalisierung. Das sind so irritierende Alltagserlebnisse, dass halt deine Tirolerstutzen, die du in Wien kaufst, ein Markerl drin haben, dass sie aus Taiwan sind. Zugleich plagt den Gutmenschen das klassische, zwischen sozialistischer und katholischer Sozialisation gebildete, schlechte Gewissen. Dieses Gefühl resultiert vor allem aus einem Romantizismus in gesellschaftspolitischen Fragen: die Mischung aus Homoehe, Zuwanderung und Vollwertkost erzeugt ein Amalgam, aus dem grüne Gutmenschen-Träume entstehen. Ökonomisch erfolgreich, moralisch korrekt – so fühlt man sich offenbar einfach besser. Robert Musil fand ein schönes Wort für den selben Menschenschlag, nämlich den „Tugut“. Eigentlich sogar treffender, denn jemand dieser Art ist absolut davon überzeugt, immer das Richtige zu machen. Das Gegenteil des Tuguts muß man ja nicht extra erklären, aber der Bosnigl* ist auch sehr schön. Es ist eben nicht alles relativ.

Bosnigl, Bos|ni|ckel, der; -s, – [aus bayr. bos = böse u. älter Nickel = Kobold] (bayr., österr.): boshafter Mensch. (Quelle: Duden)