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Spezialuntersuchung mit Prof. Dr. Zobe

Enger Raum bedingt, dass man manchmal unfreiwilliger Ohren- oder Augenzeuge von Ereignissen wird. So erging es mir im Speisewagen der ÖBB von Wien nach Graz gestern Nachmittag. Ich sitze bei schönstem Ausflugswetter im Intercity, bestelle beim Bordservice ein Kaltgetränk und unterhalte mich angeregt mit meiner Gesprächspartnerin. Am Nebentisch sitzt, mir den Rücken zugewandt, ein korpulenter Mann. Obwohl es im Inneren des Zuges angenehm warm ist, sitzt der Mittvierziger mit seiner bis oben geschlossenen Lederjacke, die einen Pelzkragen hat, vollkommen angespannt auf seinem Platz. Der Körper wirkt verkrampft, ist nach vorne gebeugt, ein Laptop steht vor ihm am Tisch mit einem Textdokument am Bildschirm. Ihm gegenüber sitzen zwei Damen, die eine mit einer Ausgabe des Standard, die andere liest ein Buch, beide trinken Kaffee. Der mir unbekannte Mann trinkt ein Bier, was ich von der Seite ebenso erkennen kann, wie seine dicke Hornbrille.

Plötzlich vergrößert er den Text am Computer. Obwohl er über eine Tischbreite und zwei Sesselreihen von mir entfernt sitzt, springt mir der Text ins Auge. Ich erfasse gesehene Wörter irrsinnig schnell, nicht nur weil ich sehr viel lese, sondern auch deswegen, weil ich mit einem sehr empfehlenswerten “Schnell lesen App” diese Eigenschaft trainiere. Meine Augen erfassen einzelne Wörter, Teile von Sätzen überdurchschnittlich schnell. Auf seinem Bildschirm flimmern Informationen, die dem Empfänger dieses offensichtlichen Briefes Untersuchungen in gefesselter Position offerieren, Handschellen ankündigen, körperliche Züchtigung mit Peitsche und Rohrstock androhen, Strafdienste in Aussicht stellen oder gegenseitige Spezialuntersuchungen als Belohnung anbieten, gezeichnet von Prof. Dr. Zobe. Hohe Geldstrafen gehören bei Nichterfüllung der Ansprüche zum Programm, umfangreiche Optionen, diese Schulden abzudienen sind Teil des in bescheidenen Rechtschreibkenntnissen verfassten “Arztbriefes”.

Ein paar Kilometer vergehen, der Passagier klappt seinen Computer zu und lehnt sich zurück. Er greift nach seinem Bier, holt die Zeitung “Österreich” aus seiner Tasche und beginnt darin zu lesen. 20 Minuten später steigt er in einem Vorort nahe Wien aus dem Zug. Ich sehe erstmalig sein ganzes Gesicht, sein Körper ist nach unten gebeugt, er hat eine schwere Tasche umgehängt. Ich glaube, Prof. Dr. Zobe ist im Zivilberuf Sachbearbeiter. Er wirkt nicht entspannt, eher aufgewühlt, vermutlich hatte er eine stressige Arbeitswoche. Sehr häufig begegnen einem Menschen die sehr unentspannt wirken, er ist sicher einer davon. Es steht mir nicht zu, ihn weiter zu bewerten, aber irgendwie beschäftigt mich die Frage schon, wie seine weitere Abend- und Wochenendgestaltung aussehen wird. Geht er gemütlich zum Abendessen, nachdem er den Zug verlassen hat? Stürmt er in seine Wohnung, um als Prof. Dr. Zobe ordinieren zu gehen? Ist alles nur ein Spiel? Was oder wer erwartet ihn in den 4 Wänden, wer ist Empfänger seines “Behandlungsschreibens”. Wer wird sich mit einschlägigen Gegenständen untersuchen lassen müssen, wer ist die Person, die bei Nichterfüllung von Perversitäten, Strafdienste zwischen Keller und Toilette leisten muss? Es mag ja sein, dass mir das ästhetische Vorstellungsvermögen für derlei Praktiken fehlt und ich bei Lustgewinn an ganz andere Sachen denke, aber irgendwie fragt man sich bei solchen Erlebnissen schon, was da für Persönlichkeiten durchs Leben laufen. Vielleicht ist dieser Mann, wenn er nicht gerade als “Chefarzt” Dienst hat, für Bewilligungen bei einer Behörde zuständig, oder er macht die Veranlagungen beim Finanzamt, er könnte auch Lehrer gewesen sein – und wenn er tatsächlich ein Arzt ist? Interessante Bilder tun sich im Kopf auf. Wie auch immer.

Im Internet habe ich einen Sadomaso-Schnelltest gefunden, den man wie folgt zusammenfassen könnte. Wenn man sich vorstellen kann, stundenlang auf den Knien zu liegen, während man mit Worten gedemütigt und erniedrigt wird, dann ist man eher devot veranlagt. Wenn man gerne am Halsband von seinem Herren oder seiner Herrin auf allen Vieren durch die Wohnung geführt wird, dann zählt man auch zu den zurückhaltenden Menschen, die gerne ein wenig Führung haben. Als Fußbank zu dienen würde auch in diese Kategorie fallen, ebenso eine Neigung für scharfe Befehlstöne. Wer aber sehr gerne mit Peitsche, Gerte, Rohrstock rücksichtsvoll geschlagen wird, Klammern an Brüsten und Geschlechtsteilen als lustvoll und nicht störend empfindet, bei Wachs nicht nur an Weihnachtskerzen denkt und Nadeln als nützlich empfindet, um Gegenstände am eigenen Körper befestigen zu können, der ist dann eher masochistisch. Es wird dann noch darauf hingewiesen, dass es eine Kombination aus beiden Neigungen gibt, beispielsweise dann, wenn man gerne Schmerz zugefügt bekommt, aber das nur dann richtig Spaß macht, wenn man dabei auch ordentlich gefesselt ist. Auf den ersten Blick scheine ich nicht zur Zielgruppe zu gehören. Aber vielleicht habe ich ja eine wesentliche Dimension übersehen. Prof. Dr. Zobe melden, Sie sich 🙂