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Speck mit Ei an der Kaltfront

Von mir aus könnte es ewig so weitergehen. Mit dem Altweibersommer meine ich. Dass man den Sturm, damit er kalt bleibt, in den Schatten stellen muss, nehme ich da gerne in Kauf. Und die Maroni gehen mir sowieso nicht ab. Ich bin einfach ein Sommermensch. Und das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich mit der ausklingenden Jahreszeit eine gewisse Lebensart verbinde. Alles scheint irgendwie leichter zu sein, oder? Entrückt von unerfreulichen Banalitäten wie Standheizung, Schneematschspritzern auf der Hose und der neuen Grippewelle. Bacardi feeling! Dolce vita! Sie verstehen? Eben! Und diese Leichtigkeit des Seins funktioniert doch oberhalb der 20 Grad Marke deutlich besser, oder? Aber jetzt hauen sie uns eh die unfreundlichen Wettervokabeln um die Ohren: Weil Kaltfront. Temperatursturz. Schneefallgrenze 700m. Entbehrlich, wenn Sie mich fragen. Obwohl das mit der Leichtigkeit ja so eine Sache ist. Von wegen innerer Einstellung und so. Freunde berichten, dass Yoga einen diesbezüglich weiterbringt. Ich denke darüber nach. Wobei da so einige unserer Landsleute den Tag mit dem Sonnengruß beginnen sollten.  An einer entspannten Sicht der Dinge mangelt es hierzulande oft. Und das zu jeder Jahreszeit.

Zum Beispiel letztens beim Trzesniewski in der Dorotheergasse. Als Erklärung für meine geschätzten Leser aus dem benachbarten Ausland: Zum Trzesniewski geht man, um Brötchen zu essen. Im dunklen Ambiente des Geschäftes stehen weißgelb uniformierte Damen mit Kopfbedeckung, die dir auf Wunsch Matjes mit Zwiebel, Speck mit Ei oder Schwedischen Hering, alles in Aufstrichform,  auf Schwarzbrot reichen. Während ich dem Treiben vor der Glasvitrine zusehe, stehen zwei Menschen wie aus dem nichts im Lokal. Beide groß gewachsen, korpulent, irgendwie hektisch wirkend und ganz sicher schon im Ruhestand beginnen der Mann und die Frau mit ihrer befremdlichen Darbietung. Er regt sich darüber auf, dass so viele Menschen vor der Vitrine stehen und Brötchen bestellen. Sie tut so, als ob sie all das nicht hört. Er schimpft, sie fragt ihn, ob er wie immer Speck mit Ei haben möchte. Er, mittlerweile mit hochrotem Kopf schimpft weiter, stürzt aus dem Geschäft. Sie redet weiter, ohne zu merken, dass er nicht mehr vor ihr steht. Kurz darauf steht auch sie auf der Straße, redet immer noch von den Brötchen, er schimpft nach wie vor. Ich kann die Szene gut verfolgen, da in der warmen Jahreszeit sämtliche Türen des Lokals offen sind. Er brüllt: „Ich gehe nicht mehr hier her!“ Sie beschwichtigend: „Erich beruhige dich, es wird alles gut!“ Der Satz klingt mir noch richtig im Ohr. Weil er doch viel eher in eine Situation passen würde, wo jemand ein existenzielles Problem hat und wirklich Zuspruch benötigt. Aber ich staune immer wieder, wie viel Engagement Menschen dafür aufbringen, sich über Belanglosigkeiten aufzuregen. Lieber Herr Erich, wenn Sie zufällig diese Zeilen lesen sollten, melden Sie sich doch bei mir. Ich nennen Ihnen aus dem Stand 2 Dutzend Projekte, bei denen Sie Ihre Energie sinnvoller investieren können.

Mir fällt dazu unweigerlich die Geschichte mit dem Hammer von Paul Watzlawick ein: Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er ihn nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen ihn. Und was? Er hat ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von ihm ein Werkzeug borgen wollte, er gäbe es ihm sofort. Und warum sein Nachbar nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen ausschlagen? Leute wie der Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet der Nachbar sich noch ein, er sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s ihm aber wirklich. Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er “Guten Morgen” sagen kann, schreit ihn unser Mann an: “Sie können Ihren Hammer behalten, Sie Rüpel!”

Warum machen es sich die Leute so schwer? Gibt es „Living Life the easy way” nur in der Bacardi Werbung? Und hab ich jetzt den Faden verloren? Macht nix. Sowas steck ich weg. Mit Leichtigkeit. Ommmmm!