Blog

Sorbas Affentanz

Der Schriftsteller Stefan Zweig fragte in seinem Aufsatz Der europäische Gedanke in der historischen Entwicklung: „Wird Europa seine Selbstzerstörung fortsetzen oder wird es eins werden?“ Das war 1932. Here we go again. Beispiel Griechenland: Solidarität ist eine feine Sache. Wenn jemand durch widrige Umstände oder ohne eigenes Zutun in die Bredouille geraten ist, ist es in einer Gemeinschaft ein Gebot der Humanität zu helfen. Bei unseren Freunden aus Hellas von widrigen Umständen zu sprechen, wäre blanker Hohn. Was wir jetzt sehen, ist das Resultat 20 Jahre anhaltender neoliberaler Deregulierungs-Politik ohne Rücksicht auf die Menschen im eigenen Land und ohne Verantwortungsgefühl für den Rest der Union. Falsche Zahlen, beschönigte Bilanzen, erschlichene Kreditwürdigkeit: Sollen das die Eckpfeiler einer auf Vertrauen basierenden Gemeinschaft sein? Wie Kinder beim Verstecken Spielen haben sich die Griechen jahrelang die Augen zu gehalten im Glauben, dass man sie dann nicht sieht. Und jetzt: Im Namen des Goldenen Kalbs der Europäischen Einigkeit soll das Ergebnis exzessiver Schuldenmacherei vergemeinschaftet werden? Vielen Dank! Ich frage mich: Woher kommt diese weichgespülte Sicht der Dinge?

Und wie würde es Griechenland, Portugal, Italien, Spanien und den anderen Bankrotteuren heute gehen, hätten Sie nicht an der Währungsunion teilgenommen? Würden sie vieleicht besser dastehen? Der Euro hat dazu verführt, auf Pump den schönen Schein aufrecht zu erhalten. Bei den Haushaltsabschlüssen der einzelnen Staaten wurde gelogen was das Zeug hält, in Brüssel wissentlich sämtliche Warnsysteme außer Kraft gesetzt, um die Kreditwürdigkeit der Pleitegeier zu prolongieren. Immer wieder gab es frisches Geld, um die Politik der Vergangenheit fortzuschreiben, staatliche Transferleistungen oder Verwaltungskosten nicht der Jetztzeit anzupassen. Und jetzt in der Krise ist für viele Staaten ein Schuldenabbau aus eigener Kraft nicht möglich, da sie mangels eigener Währung keine Abwertung der selbigen vornehmen können. Ein EU-Sondergipfel jagt den nächsten. Die Brandstifter, die jahrelang die desastreuse Schuldenpolitik mitgetragen haben, wollen jetzt Feuerwehrmänner spielen.

Was ist die Lehre aus all dem? Roger Köppel, Chefredakteur der Schweizer Weltwoche bringt es in knappen Worten auf den Punkt: “Man kann nicht Länder aneinander ketten, die ökonomisch nicht zusammenpassen.” Das ist das eine. Das andere: Die Mitgliedstaaten hätten spätestens mit der Einführung des Euro eine Debatte darüber führen müssen, wie ein Europa der zwei Geschwindigkeiten synchronisiert werden kann. Eine einheitliche Wirtschafts- und Sozialregierung wäre eine mögliche Lösung gewesen. Das impliziert eine Abkehr von unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Standards in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Und zu all den würde es noch eine demokratisch legitimierte Regierung in Brüssel benötigen, die entsprechende Sanktionskraft hat. Freilich würden die EU-Granden ein solches Vorgehen nicht goutieren, müssten sie doch ihre Schrebergartenmentalität gegen europäisches Leadership eintauschen und damit ihre eigene Legitimation in Frage stellen. So ist es einfacher auf Kosten der Bürger weiterhin im Sandkasten zu spielen.

Macht endlich Schluss mit Sorbas Affentanz! Wollen wir ein Europa, nicht nur am Papier, sondern auch in der Realität, dann müssen alle Staaten nach derselben Pfeife tanzen! Ein vereinter Europa-Begriff kann nur absolut und kategorisch sein – alles andere wäre Bigotterie und Etikettenschwindel. Die Formel auf lange Sicht lautet: Schafft entweder den Euro oder die Nationalstaaten ab, beides miteinander funktioniert nicht! Denn sonst heißt es für ein gemeinsames Europa: Kali Nichta!