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Prost aufs Leben!

Bei konstanten mehr als 30 Grad Außentemperatur gehört die Organisation der Flüssigkeitsaufnahme zu jenen entscheidenden Maßnahmen, die einem das Dasein erheblich erleichtern. Denn Hand aufs Herz, wer möchte schon trotz Hitze mit Trinkgewohnheiten brechen? Ich bin ja ein typischer „Kleschkalttrinker“ (© Guggi Kleinschuster). Ein Erfrischungsgetränk für so zwischendurch kann nicht kalt genug sein. Daher gehört eine im Gefrierschrank integrierte Eiswürfelmaschine zu jenem Standard, der mir Sommer wie Winter im wahrsten Sinn des Wortes seit Jahren den Alltag erfrischt. Wie würde ein Prosecco oder ein Glas Weißwein und vielleicht zu späterer Stunde ein Vodka Lemon schmecken, wenn die dem Körper zugeführte Flüssigkeit nicht vor deren Konsum klimatisch ordentlich “downgesized” worden wäre? Von dieser wohltuenden Kälte im Glas konnte ich schon einige Menschen nicht nur begeistern, sondern auch nachhaltig überzeugen. Immer mehr Eiswürfelzubereitungsmaschinen dokumentieren in Haushalten von mir lieb gewordenen Menschen diesen Sinneswandel. Kritiker könnten einwenden, dass derlei Verhalten ein gewisses Maß an Dekadenz zum Vorschein bringe. Ich würde dem entgegnen, dass Geschmacksfragen, in diesem Fall trinktechnische, zu den individuellen und gut verbrieften Trinkrechten jedes einzelnen von uns gehören sollten.

Ein aktuelles Buch hat mich trotz heißer Stunden und Tage amüsiert und sich als wirklicher Ratgeber präsentiert. Es gibt viele Nachschlagewerke für alles und nichts, und die meisten sind in der Wirkung der vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen so sinnlos wie heiße Luft. Aber dieser Tage habe ich einem – mich um eine halbe Stunde versetzenden – Geschäftspartner ein Buch mit besonderem Erkenntnisgewinn zu verdanken. Nicht, dass ich sonst keine Buchhandlungen betreten würde, ganz im Gegenteil. Aber wirklich brauchbare Lektüre, die noch dazu unterhaltsam ist und nicht Probleme unserer Zeit zu noch größeren Problemen werden lässt, findet man immer seltener. Wegweiser mit praxisbezogenen und positiven Gewissheiten sind da schon die Ausnahme, sozusagen die berühmte Stecknadel im Heuhaufen der Handbücher für bejahende Lebensführung.

Meinen Geist hat ein Buch aus England mit dem Titel Der gepflegte Rausch: Stilvoll trinken ohne Reuenicht nur erfreut, sondern auch gleichermaßen hochprozentig erhellt. Eine unterhaltsam witzige Lektüre zum Thema Alkoholgenuss, verfasst von der britischen Starjournalistin Cleo Rocos, die viel Geld in Drinks investiert und mit Menschen wie Lady Diana, Freddie Mercury oder Jack Nicholson um die Häuser gezogen ist, um mit erlangten Resultaten unsere Leber vor Schlimmerem zu bewahren. Das Buch ist nichts für Spaßbremsen, aber die besprochenen Themen sind gewissermaßen Basiswissen für jedermann wie ich meine. “Wie bewahrt man beim Trinken Haltung? Was hilft gegen Kater? Weshalb passt Weißwein zum ersten Date ungleich besser als Rotwein?” Die Süddeutsche Zeitung bringt das Anliegen des Buches auf den Punkt: “Cleo Rocos‘ Buch ist eine herrlich alberne, sich selbst ständig auf die Schippe nehmende Mischung aus Rezepten, Trinkabenteuern und Aphorismen. Damit ist es auch der ideale Gegenentwurf zur kontinentaleuropäischen Abstinenzwelle.” Als ich bei einem Abendessen von diesem Buch erzählt habe, drehte sich ein zufällig neben mir sitzender Arzt zu mir, senkte seinen Kopf und flüsterte mir ins Ohr: “Gerhard, hast du ein Alkoholproblem, sollen wir mal unter 4 Augen über deine Trinkgewohnheiten sprechen?” Ich erwiderte seine Frage mit einem denkwürdigen Zitat von Lilly Bollinger, das die Managerin der gleichnamigen Champagnermarke bis zum Jahr 1971 allen Freunden des guten Geschmacks hinterließ und welches auch auf andere Getränke anwendbar ist. „Champagner trinke ich nur, wenn ich glücklich bin und wenn ich traurig bin. Manchmal trinke ich ihn, wenn ich alleine bin. In Gesellschaft halte ich ihn für unverzichtbar. Ich nippe daran, wenn ich Zeit habe, und ich trinke, wenn ich in Eile bin, ansonsten lasse ich die Finger von dem Zeug, außer wenn ich Durst habe.” Für alle, die das Zitat falsch verstehen könnten: es ist durchaus mit einem Augenzwinkern gemeint! Für mich ist das mich erheiternde Buch schlichtweg ein Manifest der Lebensfreude! Und von dieser kann es trotz tropischer Außentemperaturen und in Zeiten gleichsam immer größer werdender menschlicher Kälte nicht genug geben. In diesem Sinne Prost und aufs Leben!