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Pjöngjang am Küniglberg

Gott sei Dank! Ich hatte schon befürchtet, die österreichischen Journalisten würden weiter in der Schockstarre verharren. Aber eine Woche nach dem Scherbengericht am Küniglberg verleihen einige ORF-Mitarbeiter endlich doch noch ihrem Entsetzen Ausdruck. In einem offenen Brief an die Mitglieder des Stiftungsrats protestieren sie gegen die „bizarren“ Vorgänge rund um die Absetzung von Informationschef Elmar Oberhauser. Das war bitter notwendig, denn auch wenn wir vom Rotfunk so einiges gewohnt sind, haben die Privilegienritterspiele einmal mehr ihren traurigen Höhepunkt erreicht. Ich frag mich ganz ehrlich: Hat Herr Wrabetz mitsamt seiner Entourage zu oft seinen eigenen TV-Formaten zugesprochen? Sind seine Allmachtsphantasien bereits so weit gediehen, dass er von sich selbst meint: „Wir sind Kaiser.“ Seifensteins, die ihm nach dem Mund reden, gibt es ja genug. Seine „Helden von morgen“, die sucht er sich ohnehin weiter nach dem Parteibuch aus.

Aber: „Er muss auch einmal ein bisserl brav sein!“ lässt sich ein Medienurgeistein vom Kaliber eines Elmar Oberhauser nicht verordnen. Er tut das, was man überall auf der Welt von einem anständigen Journalisten – sofern er nicht für die Prawda oder den „lieben Führer“ in Pjöngjang schreibt – erwarten darf: Den Mund aufmachen, wenn parteipolitische Einflussnahme bei der Postenbesetzung die Medienfreiheit im Lande gefährdet. Es sich nicht gefallen zu lassen, wenn spätpubertierende politische Günstlinge ausrücken, um den Sendungsverantwortlichen ihre Besetzungspräferenzen aufs Aug zu drücken. Oder kommt es nur mir medienethisch völlig daneben vor, dass eine Frau Rudas im ORF die Personalpolitik machen möchte?
Es ist in Österreich ein offenes Geheimnis, dass Generaldirektoren, Bereichsdirektoren, Landesdirektoren, Chefredakteure und andere Führungskräfte des angeblich unabhängigen Staatssenders je nach Mehrheitsverhältnissen und den Anforderungen des politischen Tagesgeschäftes besetzt werden. Das ist die Regel. Die Ausnahme ist, dass das System einen unabhängigen Journalisten in eine Führungsfunktion nach oben spült! Und nicht nur das: Die Spatzen pfeifen doch längst von den Dächern, dass diese politischen Lohnschreiber auch Medienpräsenz gegen Geld verkaufen.  Prinzip: Sie wünschen, wir spielen. Die fleißigen Herrschaften in den ORF-Redaktionen erhalten für ein thematisches Sendeprojekt finanzielle Zuwendungen von Ministerien, Landesregierungen und sonstigen Institutionen, und als Gegenleistung werden Sendezeiten ausverhandelt, in denen der Auftraggeber mit O-Ton in einem Beitrag vorkommt. So einfach ist das. Das Prinzip Geld gegen Ware funktioniert natürlich auch bestens für Print- und Onlinemedien. Wenn einem diese Tatsache erst einmal bewusst wird, beginnt man an allem zu zweifeln, was man täglich so hört, liest oder sieht!

Die Funktionsweise des Mediensystems hierzulande ist grotesk und verlogen! Dass es neben einem Heer willfähriger Schreiberlinge auch eine Reihe sehr engagierter Journalisten in diesem Lande gibt, ist unbestritten. Die sind jedoch selten in den oberen Etagen zu finden, da politisch unabhängig und somit fürs das System nicht berechenbar. Und dass Herr Wrabetz, wie er angekündigt hat, nach dem Abgang Oberhausers die Informationsdirektion quasi im Nebenjob mit übernehmen möchte, dürfte der inneren Pluralität des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wohl endgültig den Todesstoß versetzen.