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Mad Men vom anderen Stern

“Advertising is the most fun you can have with your clothes on.” Dem Satz kann ich schon einiges abgewinnen. Weil ich das Business liebe und ich es liebe die Botschaft auf den Punkt zu bringen. Auch noch nach vielen Jahren in der Branche. Der Satz ist aber nicht von mir. Jerry della Femina hat das einmal gesagt, einer der legendärsten Werber der USA. Und seines Zeichens Inspirationsgeber für die US-TV-Serie „Mad Men“, die mit mehreren Emmys und Golden Globes ausgezeichnet wurde. Absolut sehenswert, sag ich nur! Ein Sittenbild der amerikanischen Werbeszene der frühen 1960er Jahre. Gesellschaftlicher Umbruch lag in der Luft und in den Agenturen der Madison Avenue tobte eine „kreative Revolution“.
Grenzenloser Spaß an der Arbeit, ein dickes Spesenkonto und ein mitunter recht exaltierter Lifestyle waren den smarten Werbern das angenehme Substrat für geniale Kampagnen. Großartig, die Szene als der Hauptprotagonist der Serie Don Draper, Mastermind der Werbeagentur Sterling & Cooper über einem Martini doziert: „Was Sie Liebe nennen ist von Leuten wie mir erfunden worden, um Strümpfe zu verkaufen.“Politisch unkorrekt und völlig pfui natürlich das Setting rund um die smarten Erfolgstypen. Eine Frau kümmert sich zuhause um die Kinder, die Sekretärin um das Vergnügen zwischendurch und immer mit dabei: Eine Zigarette in der einen, einen Whiskey in der anderen Hand. Ein wenig Chuzpe, ein wenig Nonchalance, ein wenig Selbstverliebtheit gehörten da mit zum Spiel.

Als braver Kommunikationsdienstleister im reglementierten 21. Jahrhundert sitzt man da ja auf einem völlig anderen Stern. Der Agentur- und Werbewelt, wie wir sie heute kennen ist im Vergleich zur „Mad Men“-Ära diese gewisse Unberechenbarkeit verlorengegangen. Ich habe den Eindruck, die kreativen Chaoten, die enfants terribles, die auch hierzulande noch in den achtziger Jahren die Szene aufmischten, sind zum größten Teil geklonten Abgängern des Lehrgangs Werbung und PR gewichen. Blutleere Schreibtischattentäter, die seelenlose Kampagnen machen. Gut, die Branche ist heute viel mehr down to earth, offenbar hat sich da ein neuer Realismus breit gemacht hat. Ist ja auch kein Wunder, wenn zum Beispiel 2008 bei BBDO in Detroit mehrere hundert Werber an einem Tag ihren Job verlieren, weil ein großer Autokunde seinen Etat gekündigt hatte.

Mag auch sein, dass die Welt damals noch einfacher gestrickt war und man noch weniger komplexe Bedürfnisse hatte. Heute jedenfalls scheint mir die Norm die neue Gottheit zu sein. Berechenbarkeit und Political Correctness die Speerspitzen der sozialen Kompetenz. Gas geben ist ein Zeichen einer infantilen Persönlichkeit. Vor seiner eigenen Zügellosigkeit wird man durch Rauchverbot in Lokalen und Alkoholverbot beim Hahnenkammrennen beschützt. Statt mit den Kollegen ein paar Bouteillen in der Bar am Eck zu leeren, verabredet man sich über XING zum Advertiser Networking. Und wenn man einer Frau ein Kompliment über ihre Frisur macht, darf man sich auf eine Grundsatzdiskussion über sexuelle Belästigung gefasst machen. Auf die Gefahr hin, dass mich jetzt ein paar von Ihrer Friends-/Follower-Liste streichen: Ist das nicht unerträglich langweilig?