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Lichtschalter für Ideen

Im Laufe unserer Geschichte haben wir Menschen mit unseren Ideen die Welt verändert – zum Guten wie zum Schlechten. Dass ich heute meine Texte am Computer schreiben kann, habe ich einem Menschen in Vorderasien zu verdanken, der einst die Idee hatte, mit einem Stift Zeichen und Formen in Oberflächen zu ritzen. Vom Griffel zum PC, von der Steinplatte zum Touchpad, so könnte in knappsten Worten die Entwicklungsgeschichte der Speicherung von Ideen umschrieben werden. Ich finde es so genial, meine Endprodukte eines Gedankenganges einfach auf einem Blatt Papier oder am Computer festzuhalten, sie versickern zu lassen im Weltall der Möglichkeiten, um dann vielleicht nach Tagen, Monaten oder Jahren wieder auf einst formulierte Gedanken zurückgreifen zu können. Oder meine Ansichten zur Lage der Menschheit anderen Menschen zu übermitteln und sie einzuladen, meine Vorstellungen und gesellschaftlichen Entwürfe mitzudenken. Der moderne Begriff einer Idee ist ein mentales Erzeugnis, ein Einfall oder Gedanke und steht so ein wenig im Widerspruch zur platonischen Ideenlehre, die vom großen Philosophen Platon (428/427 v. Chr. – 348/347 v. Chr.) in der griechischen Antike begründet wurde. Diese Differenzierung werde ich jetzt nicht versuchen heraus zu arbeiten. Aber in einem Zeitalter, in dem man den Eindruck hat, dass der Staat und die Medien alles tun, um das Selberdenken abzuschaffen, sollte die Entwicklung eigener Gedankengänge nahezu mit einem steuerlichen Anreizsystem versehen werden.

Oder wollen viele von uns schon deshalb gar keine eigenen Gedanken mehr entwickeln, sich Innovationen zuwenden, aus der schlichten Erkenntnis heraus, dass seit jeher Menschen mit großen Ideen eher als Spinner abgetan werden, die manchmal erst rückblickend in den Geschichtsbüchern jene Anerkennung erfahren, die ihnen bereits zu Lebzeiten zugestanden wäre. Die Welt der technischen Innovationen ist voll von derartigen Beispielen. Denken Sie an Leonardo Da Vincis (1452 – 1519) hubschrauberähnliche Fluggeräte oder die Idee eines steuerbaren Ballons, die Graf Ferdinand von Zeppelin (1838 – 1917) realisiert hat. „Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vornherein ausgeschlossen erschien“, das wusste schon Albert Einstein (1879 – 1955) zu Lebzeiten. Ich möchte nicht wissen, wie viele Ideen, wie viele Innovationen schon begraben wurden, da wir vielfach nicht fähig sind, all jenes in Frage zu stellen, was wir schon immer unreflektiert gemacht haben. Der ehemalige deutsche Bundespräsident Christian Wulff hat zum Thema passend einmal folgende Anekdote erzählt: „Hätten Innovationsmanager über unser Schicksal entschieden, würden wir Menschen uns heute wahrscheinlich noch auf allen vieren vorwärts bewegen – die Einführung des aufrechten Ganges war nämlich eine hochriskante Neuerung”. Ich begleite beispielsweise meinen polnischen Erfinderfreund Joseph nunmehr seit fast zwei Jahren. Gemeinsam versuchen wir seine mehrfach erprobte und patentierte Idee für die Speicherung von Windenergie zu vermarkten. Wir treffen bei Innovationsagenturen, bei ebensolchen Investmentfonds und sonstigen für die Förderung von Ideen etablierten Einrichtungen vorwiegend auf Menschen, die uns erklären, dass unsere Idee nicht funktionieren kann, weil es sie noch nicht gibt. Und wenn wir eine finanzielle Unterstützung haben wollen, dann sollen wir wieder kommen, wenn wir beweisen können, dass unser Vorhaben gelingt. Wie Innovation ohne Risiko funktionieren soll, konnte uns noch keiner der Gesprächspartner berichten.

Wir brauchen einen Klimawandel in unseren Köpfen, der Neues entstehen lässt. „Was immer gut ging, geht nicht immer gut.“ Immer mehr werden wir zu Tode genormt und standardisiert. Wo gibt es den Platz für Ecken und Kanten, den Platz für neue Ideen? Wo wird Querdenkertum, das um die Ecke denken können, gefördert statt blockiert? Wo gibt es eine optimistische Grundhaltung, die die Basis für die Entwicklung neuer Ideen ist? Bei meinen Reisen um die Welt habe ich gesehen, wie anderswo an der Veränderung der Zukunft gedacht, geforscht und geschraubt wird. Die Ungewissheiten der Zukunft bergen Chancen und Risiken zugleich, aber würde uns nicht ein Mehr an Risiko gut tun? Unlängst hat mir jemand bei einem meiner Vorträge erzählt, dass in unseren Breiten statistisch gesehen nach 4 erfolglosen Versuchen aufgeben wird. Mangelndes Durchhaltevermögen ist die eine Seite der Medaille, die “Rübe ab Mentalität” der Gesellschaft mit “Gescheiterten” die Kehrseite. Thomas Alva Edison (1847 – 1931) resümierte, nachdem er knapp 9.000 Kohlefäden ausprobiert hatte, bis er denjenigen gefunden hat, der die Glühbirne dauerhaft zum Leuchten brachte: “Niemals aufgeben! Unsere größte Schwäche ist das Aufgeben. Der sicherste Weg zum Erfolg besteht darin, immer wieder einen neuen Versuch zu wagen.“ Denken Sie einfach an dieses Zitat, wenn Sie in Zukunft den Lichtschalter betätigen, insbesondere dann, wenn Sie zu jener Personengruppe gehören, die aus lauter Angst vor neuen Ideen vergisst, dass die erfinderische Gegenwart die Basis für unsere Zukunft darstellt.