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Lebensführung mit Prinzip

Der indische Widerstandskämpfer und Revolutionär Mahatma Gandhi hatte einmal die sieben Todsünden der kapitalistischen Gesellschaft aufgezählt: Politik ohne Prinzip, Wohlstand ohne Arbeit, Handel ohne Moral, Vergnügen ohne Gewissen, Erziehung ohne Charakter, Wissenschaft ohne Menschlichkeit, Religion ohne Opfer. Gefahrvolle Verhaltensweisen, die den Zustand einer fragilen Gesellschaft damals wie heute trefflich beschreiben. Die, die es ohnedies immer wissen, könnten einwenden, dass eben die Welt aus den Starken und den Schwachen, den Reichen und den Armen besteht. Ich will weder eine Verteilungsdebatte führen, noch eine wiederholte Kapitalismuskritik üben. Gandhis so einfache Regeln – die nichts anderes von uns einfordern als ein wenig Gewissen, Moral und Verantwortung in all unserem Handeln – wurden in meinem Kopf plötzlich in Erinnerung gerufen, als ich wieder mal das Buch Der kleine Prinzin die Hand genommen hatte, das für die einen Kitsch ist, für Menschen wie mich aber ein wunderbares Werk, wenn ich für mein Tagträumen einen Begleiter und eine Handlungsanleitung suche.

Es ist rückblickend kaum unvorstellbar, dass im Erscheinungsjahr des Buches die Kritiker an einem Leserpublikum zweifelten. Konnten nicht lebensbejahende Weisheiten, das Herz ergreifende Geschichten schon in der ganzen Menschheitsgeschichte ein fasziniertes Publikum begeistern? Frauen und Männer, Junge und Alte, die sich an derlei Lektüre Nahrung für Geist und Seele holten? „Der kleine Prinz“ zählt zu den 20 meistgelesenen Büchern der Welt und wurde bislang über 80 Millionen mal verkauft. Für ein Buch, dem unter anderem die New York Times attestierte, dass die philosophischen Passagen des Buches eher auf blankes Unverständnis stoßen werden. Eine Einschätzung, die dadurch eindrucksvoll widerlegt wird, dass dieses kleine Handbuch für Sinnstiftung, wie ich es bezeichne, mittlerweile in 180 Sprachen und Dialekte übersetzt wurde, 2010 sogar auf Lateinisch. Der Verkauf für dieses Meisterwerk, das mit seinen Inhalten unser aller Blicke auf das Wesentliche im Leben zu lenken versucht, verlief anfangs nur schleppend. Erst der frühe Tod des Autors, Antoine de Saint-Exupéry, der als Pilot von einem Aufklärungsflug für die französische Luftwaffe am 31. Juli 1944 nicht mehr zurückkehrte, verhalf dem Buch zum Durchbruch.

Saint-Exupérys Plädoyer für Freundschaft und Menschlichkeit hat nichts an Glanz und Tiefgang verloren, auch nicht in der heutigen Zeit! Der kleine Prinz ist als Geschichte von dem kleinen, blonden Lockenkopf, der wegen eines Streits mit einer Blume seine Heimat verlässt, um die Welt zu erkunden, reichlich durchwoben mit Lebensweisheiten und Verhaltensregeln, die unser aller Leben in der Gemeinschaft ein wenig erträglicher werden lassen könnten. Lassen Sie einfach, verehrte Leserinnen und Leser meiner Kolumne, eine paar Weisheiten aus diesem wunderbaren Buch auf sich wirken, oder holen es wie ich einfach wieder mal aus dem Regal hervor. Wie wirken Zitate wie “Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das wesentliche ist für die Augen unsichtbar” oder “Am Ende geht einer doch immer da hin, wohin es ihn zieht” oder “Das, worauf es im Leben ankommt, können wir nicht voraussehen. Die schönste Freude erlebt man immer dann, wo man sie am wenigsten erwartet”. „Gebrauchsanweisungen“ wie diese finden sich endlos in diesem zu Buchform gebrachten Fingerzeig, der uns offenbart, dass die kleinen Freuden im Leben jene sind, auf die es wirklich ankommt, auf jene Momente, die unseren Alltag erhellen. Warum all das so schwer in Praxis zu leben ist, kann ich nicht verstehen.