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In Zukunft die Gegenwart genießen.

Manchmal glaube ich, dass alle Menschen die Vorzüge der vernetzten Welt konsumieren können, nur ich bin davon ausgeschlossen. Oder noch schlimmer, irgendwo sitzt jemand, macht genau in mein Datennetz einen Knoten rein und freut sich diebisch, dass bei mir immer irgendwelche Störungen auftreten. Also liebe Bits and Bytes, wenn ich euch irgendwann beleidigt haben sollte, bitte seid mir gnädig und vergebt mir. Am Freitag saß ich wieder mal im Zug Richtung Süden, wir hatten noch nicht die Stadtgrenze von Wien erreicht, und das Empfangslicht meines Datensticks war nur mehr grün statt blau. Ein Umstand, der auf eine schlechtere Verbindung mit niedriger Übertragungsgeschwindigkeit hinweist. Neben mir im Zug waren dunkelblaue Hinweisschilder mit weißer Schrift angebracht. Darauf zu lesen stand, dass die Bahn mit Empfangsverstärkern ausgestattet sei, damit die Kunden die volle Performance bei der Übertragung von Daten genießen können. Ich merkte davon wie immer nichts. Aber wie schon gesagt, alle anderen haben sicher einen guten Empfang, nur bei mir scheitert das Projekt Arbeit und Mobilität regelmäßig. Bin ich zu mobil für die vernetzte Welt, könnte eine berechtigte Frage lauten.

Mein Telefonanbieter und ich haben eine Hassliebe, wenngleich diese sehr einseitig ausgelegt ist, er kann sicher ohne mich, aber ich nicht ohne ihn. Außer ich möchte noch mehr an Telefongebühren bezahlen. Ich bin bei einem Provider, der Menschen, die sich häufig über den Tellerrand des eigenes Landes hinaus bewegen, eine Reihe von Gebührenpaketen anbietet. Bei mir sieht das in der Realität so aus, dass ich trotz der Datenpakete Worldclass Data 1 bis 100 im Schnitt das drei bis vierfache des vereinbarten Tarifs bezahle, dieses Monat sogar die achtfachen (!) Gebühren. Telefonieren, Daten empfangen, Mailen, im Internet surfen, Tätigkeiten die zum Selbstverständnis der Arbeitswelt im 21. Jahrhundert gehören sollten, werden dann fast nicht mehr leistbar, wenn du in einer vernetzten Welt das heimatliche Netz verlässt. Diese vollkommene Abzocke findet dann ihren Höhepunkt, wenn du diese unsagbaren Roaminggebühren bezahlen musst, obwohl du nicht einmal den Netzanbieter gewechselt hast. Wer den Hintern bewegt, der zahlt, lautet mein Resümee, oder höflicher formuliert: die mobile Arbeitswelt endet noch immer bei den alten geografischen Grenzziehungen. Vielleicht sollte ich mein Telefon abmelden und in Zukunft Brieftauben mit meinen Nachrichten durch die Gegend schicken, meine persönliche CO2-Bilanz würde sich schlagartig verbessern, denke ich.

Aber nicht mal ein sorgsamer Umgang mit dem Ressourcenverbrauch wird einem leicht gemacht. Unlängst musste ich beim Finanzamt ein Formular abstempeln lassen. Ich hatte eine Faktura nach Italien gesendet, der Auftraggeber wollte eine Bestätigung des Finanzamtes, dass ich in Österreich steuerpflichtig sei. Bei Rechnungen nach Deutschland reicht im Normalfall ein entsprechender Hinweis am Beleg, die Italiener wollten eine amtliche Bescheinigung. Willkommen im gemeinsamen Europa. Egal! Ich stand beim Finanzamt im Amtsgebäude Wien Josefstadt, beim Servicecenter. An der Wand waren Plakate mit der Aufschrift zu sehen “Nutzen Sie Finanz , dann sparen Sie sich den Weg zu uns”. In der Praxis ging das dann so. Ich wartete ewige Zeiten, bis ich endlich an der Reihe war. Ich sagte zu der Beamtin: “Ich brauche einen Stempel auf einem Formular, dass ich ein österreichischer Steuerzahler bin.” Sie sagte: “Reichen Sie das Formular ein, es wird bearbeitet und dann bekommen Sie es am Postweg retour.” Ich antwortete: “Da gibt es mein ausgefülltes Formular, ich brauche nur einen Stempel.” Sie verlangte meinen Ausweis, rief meine Daten am Computer auf, um mir dann mitzuteilen, dass ich den Stempel aber trotz Identitätsnachweises nur beim gemeldeten Finanzamt bekäme, da eine Kopie meines Formulars in den Akt müsse. Das bedeutete für mich hin und retour 400 Kilometer und 0,3 Tonnen verursachten All-Ausstoß, wie ich nachgerechnet habe. Auch da könnte man sich berechtigterweise ein paar Fragen stellen. Zum Beispiel, was dieser gesetzlich legitimierte Unfug kostet, von Menschen beschlossen, die von der Lebensrealität offensichtlich weiter entfernt sind als die Erde zum Mond.

Im Herbst 2002 habe ich mein erstes Buch “Der Echtzeitmensch” fertig gestellt, erschienen ist es 2003. Einige meiner damals geäußerten Wünsche an die Zukunft haben gelautet, dass sich der praktische Alltag für Menschen durch neue Informationstechnologien eindeutig verbessern sollte. Datenleitungen und Funknetze werden kostenlos allen Menschen rund um den Globus zur Verfügung gestellt, als soziale Transferleistung des Staates. Behörden agieren vernetzt, nicht nur zu ihrem eigenen Vorteil, sondern auch zu dem der Bürger, Formulare gehören endgültig der Vergangenheit an. Irgendwie hatte ich schon damals bei weiteren formulierten Gedanken erhebliche Zweifel, zu Recht, wie ich heute rückblickend meine. Um meine wenig hoffnungsvollen Perspektiven zu erhellen, schrieb ich vor nunmehr 10 Jahren ein Kapitel mit dem Titel “Ein Tag im Jahr 2015”. Gerade habe ich mein Erstlingswerk aus dem Regal genommen und nachgelesen, was Sie und mich in 3 Jahren erwarten wird. Ich sage Ihnen, alles wird super! In der Zeit bis zur Zukunft werde ich mich halt noch mit ein paar Fragen des Alltags umherschlagen, damit ich dann die Gegenwart um so besser genießen kann.