Hoffnung für Pessimisten?
Es gibt Tage, da will ich kein Wort mehr hören, da freue ich mich nur mehr, wenn ich die Türe von innen zusperren und kein Mensch mein Dasein durch seine Anwesenheit stören kann. Das sind dann diese Momente, wo ich das Empfinden habe, die ganze Welt hat bei mir angedockt, um meine reichlich vorhandene Lebensenergie abzusaugen. In solchen Augenblicken fühle ich mich wie der Duracellhase, dessen Batterien schon fast erschöpft, im roten Bereich angelangt sind, während meinereiner die letzten Zuckungen macht, bevor die Lichter endgültig ausgehen. Das klingt jetzt vielleicht ein wenig zu theatralisch, aber es soll veranschaulichen, was all diese zu Menschen gewordenen Lebensfreude-Töter (welch hässliches Wort, ich übernehme nicht die Urheberschaft) einem Wesen wie mir antun! Ich frage mich manchmal, was solche Frauen und Männer dazu veranlasst, auf diesem Planeten ihr Dasein zu fristen, wenn die einzige Konstante in ihrem Diesseits der Pessimismus ist.
Wie wäre es mit ein wenig mehr Optimismus im Leben? Haben wir den Begriff, der für eine heitere, zuversichtliche und lebensbejahende Grundhaltung steht, schon verlernt? Theodor Heuss, der erste Bundespräsident Deutschlands, der Freude an Wortspielen hatte und der manchmal auch Kalauer nicht ausließ, hat einmal gesagt: „Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist.“ Ich finde, da hat Theodor Heuss Recht. Wie wäre es, trotz trüber Jahreszeit dem Leben ein wenig positiver zu begegnen? Ist wirklich alles so schlimm? Der englische Politiker und Historiker Thomas B. Macaulay hat schon Mitte des 19. Jahrhunderts eine interessante Frage an all die begnadeten Schwarzmaler gestellt und keine Antwort bekommen: “Warum sehen wir, wenn wir zurückblicken, nichts außer Fortschritt und Verbesserungen, erwarten aber von der Zukunft immer nur den Niedergang?” Ich fürchte, auch heute würde die Antwort eher dürftig ausfallen. Verstehen Sie mich nicht falsch, es gibt selbstverständlich genug an ungelösten Problemen, wie beispielsweise die Frage der geschlechtsneutralen Formulierung, des ökologischen Fußabdruckes oder der globalen Folgen der Erderwärmung – wenngleich ich ja zu jenen zähle, die beim aktuellen Blick auf das Thermometer mit ein paar Grad mehr im Plusbereich sehr gut leben könnten.
Um mir eine andere Sichtweise des Lebens, nämlich eine positive Herangehensweise zu gönnen, habe ich mir wieder mal das Buch “The Rational Optimist” des notorisch zuversichtlichen Engländers *Matt Ridley aus der Bibliothek genommen. Und ich finde, dass unsere Lage gar nicht so aussichtslos ist, wenn man all die Geschehnisse in der richtigen Relation betrachtet. Was ist aus all den Megathemen der Untergangspropheten in den letzten Jahren geworden, aus all diesen düsteren Szenarien? Wo hat es die Bevölkerungsexplosion gegeben, die zur globalen Hungersnot geführt hat? Wo haben all diese Umweltgifte die Lebenserwartung des Menschen reduziert, das Gegenteil ist der Fall! Wo hat der saure Regen ganze Landstriche zerstört und alles zur Wüste werden lassen? Wo sind all die Krankheiten, Seuchen und anderen Lebensbedrohungen? Erstaunlicherweise hat sich unser Leben insgesamt verbessert. Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten um 30 % gestiegen, ebenso die Lebensmittelproduktion pro Kopf und die Kindersterblichkeit ist nahezu im selben Ausmaß gesunken. Und all das, obwohl sich die Weltbevölkerung fast verdoppelt hat. Sind das keine guten Nachrichten?
Oder darf es einfach keine Good News geben, da sonst die gesamte Pessimismus-Industrie ihre Grundlage verlieren würde? Was würden all jene machen, die ihre Geschäftsgrundlage auf die schwarzseherische Grundnatur des Menschen und zu ihrem eigenen Vorteil aufgebaut haben? Wovon würden Al Gore, Naomi Klein oder Michael Moore leben, wenn sie nicht permanent den Menschen einreden würden, dass diese eine Welt eine schlechte ist, wo an jeder Ecke lebenszerstörende Bedrohungen lauern? Matt Ridley hat für sein Buch dem Songtext “Wonderful World” von Louis Armstrong ein paar Zeilen entliehen. Dem Schlusskapitel sind sie als Motto vorangestellt. “I hear babies cry, I watch them grow, they’ll learn much more than I’ll ever know. And I think to myself, what a wonderful world.” Und wenn Armstrong und Ridley Recht hätten, fragt sich der Autor eines Interviews mit dem britischen Bestsellerautor im “Das Magazin”? Um dann fortzufahren: “Wenn es wirklich so wäre, dass sich alles zum Guten wendet? Dass unsere Kinder nicht vor dem Ende stehen, sondern Neues schaffen, Besseres? Was für eine wunderbare Welt.” Was machen wohl jetzt all die Pessimisten mit so viel Hoffnung?
* http://de.wikipedia.org/wiki/Matt_Ridley *http://web.archive.org/web/20101123074249