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Hitzestau im öffentlichen Verkehr

Immer wieder könnte ich von kuriosen Geschichten erzählen, meist fehlt mir die Zeit dafür, um ein paar dieser Erlebnisse niederzuschreiben. Heute muss ich einige Momente schriftlich festhalten, weil sie kurz aufeinander folgten und offensichtlich in einem kaun Zusammenhang mit den gegenwärtigen Außentemperaturen stehen könnten. Wenn dem nicht so sein sollte, dann müsste man mit den handelnden Personen deren Verhaltensmuster professionell reflektieren, zum Schutze der Gesellschaft, wie ich meine.

Regelmäßig benutze ich ein öffentliches Verkehrsmittel, in welchem ein Schaffner seinen Dienst versieht. Er ist wenig kommunikativ, eher unfreundlich, vielleicht auch unsicher und immer ein wenig provokant, als wolle er es auf einen Streit anlegen. Einmal wollte ich eine Fahrkarte im Zug lösen und er verweigerte mir einfach die Zahlung mit der Kreditkarte, mit dem Hinweis, dass er so viele Leute kontrollieren müsse. Ich sagte zu ihm, dass ich ja auch bei seinen anderen Kollegen mit Karte bezahlen dürfe, er erwiderte, bei denen funktioniere auch die bargeldlose Zahlung, bei ihm nie. Ok, er wollte halt nicht, weil Aufwand usw. und mir war es dann auch zu blöd, diese für mein Leben wenig relevante Frage weiter zu besprechen. Ich bezahlte schlussendlich mit Bargeld. Gestern bin ich wieder im Zug gesessen, auf den Plätzen vis-à-vis von mir ein Mann und eine Frau, zwei Russen, wie ich deren Sprache entnehmen konnte. “Mein Schaffnerfreund” kam um zu kontrollieren, der Mann aus dem Osten zeigte sein Ticket vor, er hatte aber ein falsches gelöst. Der Fahrkartenkontrollor ging nicht darauf ein, dass der Fahrgast willig gewesen ist und einen Fahrschein erworben hatte. Es folgte eine Maßregelung für das sichtlich überforderte Paar, das vermutlich erstmalig in der Stadt gewesen ist und nicht wirklich verstanden hatte, was das Problem war. Der Schaffner stellte die beiden vor die Wahl, entweder neues Ticket erwerben, oder Anzeige! So zeigt man Gespür und Einfühlungsvermögen für Fremde, oder? Habe ich übrigens erwähnt, dass der in Uniform gekleidete Schaffner dunkelhäutig gewesen ist? Was soll das, wenn nicht mal mehr die Solidarität unter Ausländern funktioniert, denke ich mir.

Ich verlasse den Zug und steige in die U-Bahn. Es ist noch sehr früh, die Plätze sind nur spärlich besetzt. Im Abteil stehend beobachte ich folgende Szenerie. Eine ältere Dame mit aufgestecktem Haar und Brille sitzt alleine in einer 4er Reihe. Bei der darauffolgenden Station steigen einige Menschen zu. Eine Teenagerin nimmt neben der älteren Dame Platz und wird wie aus dem Nichts von ihr angebrüllt. Die in die Jahre gekommene Frau, elegant gekleidet, sportliche Figur, fordert im aggressiven Ton ihre Sitznachbarin auf, sich einen anderen Platz zu suchen, die Sitze hier seien für sie bestimmt. Die junge Dame, früher hätte man Fräulein gesagt, macht keine Anzeichen eine andere Sitzgelegenheit aufzusuchen. Die Stimme der älteren Dame wird immer lauter, die Fahrgäste schauen verunsichert, plötzlich erhebt sie sich und brüllt die im kurzen Mini und T-Shirt gekleidete Blondine an, sie kann den Sitzplatz behalten und sie wünsche ihr alle Geschlechtskrankheiten (das ist jetzt die höfliche Version des Gesagten) dieser Welt, weil sie ja sicher außer dem einen ohnedies nichts tut und von unserem Steuergeld lebt. Auch diese wahre Begebenheit hätte einiges an Potenzial, um sie in einem gut gekühlten Raum fachmännisch zu besprechen.

Bei der Straßenbahnhaltestelle werde ich Zeuge einer intensiven Kussszene. Ein junges Paar setzt an zum finalen Abschiedskuss, wie sich im nachhinein herausstellt. Der Mann um die 30, Typ Sylvester Stalone Double, küsst eine Frau. Sie, Ende zwanzig, groß gewachsen, eher wenig Gewand am Körper, es ist ja heiß, wird so richtig an die Brust ihres Verehrers gedrückt, die Hände umschließen die beiden Körper, der Austausch der Zärtlichkeit wirkt intensiv. Ein alter Mann kommentiert das Ereignis missgünstig. Wir steigen in die Tramway, die junge Frau bleibt an der Haltestelle zurück. Im Inneren des Wagons sagt der Pensionist zum muskelbepackten Don Juan: “Wie i so jung woar wir du, do wor nix mit dem Schmussn von di Weiba, do wor unser Braut des Maschinengwehr”.

Auch darüber könnte man ein paar Sätze verlieren. Meine Beobachtung ist die, dass viele meiner Mitbürger immer verhaltensauffälliger werden. Es ist diese Mischung aus Plumpheit und Aggression gegenüber jedem und allem, die da zu Tage tritt. Die Grenzen für zumutbares Handeln scheinen immer weiter zu schmelzen. Es bleibt die Hoffnung, dass die Tage wieder kühler werden!