Gleicher als gleich
Wenn ich in den letzten Tagen und Wochen das Amtsverständnis hochrangiger österreichischer Politiker beobachte, fühle ich mich eher in der Endlosschleife einer Nestroyposse, denn in einem Rechtsstaat.
Hauptcharaktere:
- Ein Landeshauptmann, der Höchstrichter verhöhnt.
- Ein Landesrat, der Ortsschilder versetzt.
- Eine Justizministerin,die fadenscheinige Argumente der Staatsanwaltschaft absegnet.
- Eine ehemalige Justizministerin, die das durch ihre Beamten unterstützt
- Eine Staatsanwaltschaft, die das politisch willfährig unter den Tisch kehrt
- Und – last but not least – ein Bundeskanzler, der – nichts tut.
Es geht um die Verfahrenseinstellung gegen den früheren Verkehrslandesrat und jetzigen Landeshauptmann Gerhard Dörfler, der zwar Ortstafeln in Kärnten verrückt hat, um Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes zu umgehen, der dafür aber keine rechtlichen Konsequenzen übernehmen muss. Da kommt zwar der Staatsanwalt zu dem Schluss, Gerhard Dörfler habe „das Recht penetrant missachtet“. Aber weil er „ein kleiner Bankbeamter“ und „seinem Mentor Jörg Haider treu ergeben war“, habe er „die strafrechtliche Tragweite seiner Handlungen nicht einschätzen können“. In anderen Worten: Das Recht wurde zwar gebrochen, aber weil es sich um einen nicht juristisch geschulten Haider-Jünger handelt, wird er nicht belangt. Warum einem solchen Menschen dann zugetraut wird, das Landeshauptmannamt ausüben zu können, bleibt offen.
Ortswechsel: Ein Richter in der Steiermark nimmt zahlreiche Geschenke an, darunter auch eine Waffe, die Behörde prüft den Fall und wenig verwunderlich, das Verfahren wird eingestellt. Vermutlich werden in den nächsten Wochen noch weitere Fälle ans Tageslicht kommen, die einen irritierenden Beigeschmack hinterlassen. Was sich derzeit vor unser aller Augen abspielt, lässt den Schluss zu, dass politisch heikle Fälle hierzulande lieber ad acta gelegt werden. Frei nach dem Motto „Politische Willkür statt Gewaltentrennung“ werden ungeniert die hohen österreichischen Rechtsstandards unterlaufen. Ich bin kein Jurist, aber soviel weiß ich: Dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, ist nicht nur eine Volksweisheit, sondern auch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch rechtlich verbrieft: ABGB § 2. Sobald ein Gesetz gehörig kund gemacht worden ist, kann sich niemand damit entschuldigen, daß ihm dasselbe nicht bekannt geworden sei. Das heißt: wer gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, wird bestraft, egal ob dem Handelnden bewusst war, dass er gegen eine Rechtsvorschrift verstößt. Das Gesetz gilt also nicht nur für Juristen, sondern für jedermann und man kann sich nicht herausreden, dass man das Gesetz nicht gekannt hat, wenn man dagegen verstoßen hat.
Aber statt Vergehen in „besseren Kreisen“ konsequent zu ahnden, holt man sich lieber von Zeit zu Zeit einen Sündenbock, um die brodelnde Volksseele zu besänftigen. In eine solche Kerbe scheint mir der Fall des Ex-Bawag-Chefs Helmut Elsner zu schlagen. Beim morgendlichen Joggen im Volksgarten treffe ich des öfteren Frau Elsner, wenn Sie mit ihrem Hund spazieren geht. Und wenn ich sie sehe, frage ich jedesmal: Was hat ihr Gatte eigentlich verbrochen, was nicht auch andere im Bankensektor getan haben? Man gewinnt den Eindruck, dass das System beschlossen hat, den holen wir uns, weil er alle Voraussetzungen für ein Feindbild mit sich bringt. Wenn ich die Urteilsverkündung richtig im Kopf habe, dann wurde die Härte der Strafe nicht nur wegen der Verluste, sondern auch wegen dem Delikt der Bilanzfälschung begründet. Dass ein paar Monate später ein Kärntner Bankdirektor, der wie Elsner nachweislich Geld verspekuliert und Bilanzen gefälscht hat, mit einer Geldstrafe davon kommt, hat niemand hinterfragt. Oder zählen in Kärnten derartige Delikte zum Faschingsgeschehen? Was in Österreich auch niemand irritiert hat, war der Umstand, dass nach dem BAWAG Prozess Richter und Ankläger eine Bürogemeinschaft gebildet haben.
Der ehemalige Ferialpraktikant der Zentralsparkasse Werner Faymann schweigt zu alledem. Wo bleiben die klärenden Worte, Herr Bundeskanzler? In welchem Staat leben wir, wo es keinen Erklärungsbedarf für derartige Vorfälle gibt? Oder ist er von Erklärungen befreit, weil er manche Zusammenhänge nicht versteht, ebenso wie der Kärntner Landeshauptmann? Unser Land braucht einen neuen Wertekodex. Es kann doch nicht sein, dass die, die im Staat mit größter Macht ausgestattet sind, durch ihr Verhalten, die Bürger an der Rechtsstaatlichkeit zweifeln lassen. Es muss am Verhalten dieser Personen klar erkennbar sein, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen wird. Und damit es daran keine Zweifel gibt, müssen Richter, Staatsanwälte und auch die Exekutive entpolitisiert und mit allen Rechten ausgestattet werden, damit nicht nur Rechtsstaatlichkeit garantiert werden kann, sondern auch Schutz vor der österreichischen Interventionskultur durch die Politik. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Politiker und Personen, deren Amtsausübung mit Einfluss verbunden ist, werden in diesem Lande offenkundig anders behandelt als normale Bürger. Wie in George Orwells Roman Animal Farm, sind wohl einige gleicher als gleich in Österreich.