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Gedankensplitter über den schnöden Mammon

Liegt da etwa Revolution in der Luft? Oder zumindest Reflektion? Oder ist es doch nur die nackte Verzweiflung? Quergelesen: Der Spiegel brüllt mir in seiner aktuellen Ausgabe „Gelduntergang!“ entgegen. Und in der FAZ räumt der Tempelritter des konservativen Journalismus, Frank Schirrmacher, ein, dass die Linken in mancher Hinsicht vielleicht doch nicht so unrecht gehabt haben könnten. Möglicherweise. Vielleicht. Helmut Brandstätter fordert im heutigen Kurier-Leitartikel eine „Verantwortungselite“. Schau, schau! Fangen da jetzt tatsächlich ein paar an, den Glaubenssätzen ihrer Zeit die alten Zöpfe abzuschneiden? Die ZEIT bringt mich wieder zurück auf den Boden der Tatsachen: „Noch eindrucksvoller als die Liste der zahlreichen Finanzcrashs ist die Unfähigkeit, daraus Konsequenzen zu ziehen.“ Dennoch: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Zumindest was mich betrifft.

Apropos sterben. Unlängst hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem Menschen von der Bank. Weil ja Morgenstund Gold im Mund haben soll, rufe ich dort gleich nach dem Frühstück an. Wir sprechen über die Absicherung einer Finanzierung. Ich sage zu ihm, eine für mich denkbare Variante sei eine Lebensversicherung. Darauf er: „Aber nur wenn die Bank den Revolver mitfinanziert.“ Will heißen, die Lebensversicherung bringt nur dann sofort Geld, wenn ich gleich nach dem Abschluss das Zeitliche segne. Angesichts solcher Aussagen drängt es sich mir auf, vom einzelnen auf das ganze System zu schließen. Denn nicht zuletzt der Hybris der Banken haben wir den jetzigen „Gelduntergang“ zu verdanken. Sogar der stockkonservative Publizist Charles Moore schreibt dieser Tage im Daily Telegraph: „Globalisierung bedeutet nur, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler jeder Nation verteilen.“ Der Staat legt die Ohren an und lässt Ratingagenturen und Spekulanten gewähren. Weil: „There is no alternative!“, wie es Margaret Thatcher schon vor 25 Jahren im Schlachtruf des neoliberalen Mainstreams postulierte. Vielen Dank dafür.

Und noch ein Gedanke zum schnöden Mammon: Möglicherweise ist es ja selektive Wahrnehmung, aber eines fällt mir in der Diskussion über die Finanzkrise schon auf: Im Fokus des öffentlichen Mitleids stehen die – so called – kleinen Leute. Es sind die Arbeiter, die Angestellten, die jetzt unschuldig zum Handkuss kommen. Gehaltskürzungen. Personalabbau. Arbeitslosigkeit. Hier wird an Existenzen gesägt und das ist für die einzelnen Leidtragenden mehr als bedauerlich. Zweifellos!

Aber im Gegensatz zu den Unselbständigen hält sich das Verständnis für das Scheitern als Unternehmer sehr in Grenzen. Wer heute unternehmerisch versagt, ist stigmatisiert. Zumindest hierzulande. Es fragt keiner nach den Ursachen, am Ende zählen die Fakten! Dumm gelaufen! Finanzkrise hin oder her. Fast gilt es als grob fahrlässig, unternehmerisch Schiffbruch zu erleiden. Schließlich trägt man doch gesellschaftliche Verantwortung. Aus langjähriger eigener Erfahrung behaupte ich, dass die meisten Unternehmen nicht deshalb zusperren müssen weil dort lauter Idioten am Werk sind, sondern deshalb, weil Bedingungen für Selbständige in der sogenannten Dienstleistungsgesellschaft immer prekärer werden. Wir können in jedem Quartal eine Entwertung der Honorare feststellen, weil es immer irgendwo jemanden gibt, der es noch billiger macht. Gerade bei den One (Wo)man-Shows werden reale Büros die Ausnahme, Home Offices die Realität. Das Wohnzimmer wird zur Schaltzentrale für Arbeit und Freizeit. Und das 24 Stunden am Tag. Die Phasen der Akquisition werden immer länger und der Moment, an dem du erstmalig Geld verrechnen kannst, zögert sich immer weiter hinaus. Diese Zeitspanne überleben viele Unternehmen einfach nicht, weil sie keine Chance haben, Kapital anzusparen. Kollektivverträge, Arbeitszeitbestimmungen, Kündigungsfristen: Fehlanzeige. Das ist die Realität. Und die Kehrseite es Kapitalismus. Aber wir wollen ihn ja, so what!

Im letzten Jahr gab es in Österreich 35.529 Unternehmensgründungen. 6.376 Betriebe gingen in Konkurs. Viele von denen hoffen darauf, dass ihnen der zweite oder dritte Anlauf gelingt. Aus eigener Kraft. Während das Finanzsystem weiterhin Vermögende hofiert, denen Verantwortungsgefühl meist fremd ist. Der deutsche Tagesspiegel schrieb am Wochenende: „Die Welt ist aus den Fugen geraten. Denn Marktwirtschaft ist nicht mehr Marktwirtschaft, wenn der erpresserische Druck der Finanzakteure groß genug ist, ihre Risiken immer wieder bei den Steuerzahlern abzusichern. Und Demokratie ist nicht mehr Demokratie, wenn sie nicht mehr hält, was sie verspricht, nämlich eine gesellschaftliche Ordnung, in der die ganz normalen Leute über ihr Leben mitbestimmen und mitreden können.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.