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Freiheitspflicht!

Kurz vor Ende des letzten Jahres, einige Tage vor Weihnachten, bin ich Gast bei einem interessanten Gedankenaustausch gewesen. Geladen hatte eine honorige Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in seine Büroräumlichkeiten in der Wiener Innenstadt. Der am Zenit seines Berufslebens angelangte Kenner der nationalen wie internationalen Politik steht ideologisch diametral zum rechten Gedankengut und lebt in Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit. Im Laufe unseres tiefsinnigen wie ebenso heiteren Abends landeten wir irgendwann beim Thema Islam. Mir und den anderen Gästen erläuterte der Hausherr ein paar seiner Einschätzungen gegenüber Muslimen aller Art, die bei uns in Österreich leben. Er sagte, dass der Politik und den Behörden mittlerweile die Situation vollkommen entglitten sei. Er gehe davon aus, dass nicht um eine halbe Million Muslime in meiner Heimat angelangt seien, sondern um die 1,5 Millionen dem Propheten Mohamed zugewandte Personen. Die Radikalisierung der “Staatsreligion” schreite vor unser aller Augen immer weiter voran, da durch die wirtschaftliche Not von vielen, “Menschenmaterial für den Gotteskriegso leicht wie noch nie rekrutiert werden könne. Personen, die bereit seien, in verschiedensten muslimischen Outlets wie Al-Qaida, Boko Haram, für den Islamischen Staat und die Taliban ihr Leben bis zur Selbstaufgabe zu führen und sich im Falle des Falles für 72 zu erwartende, aber vermutlich nie kommende Jungfrauen in die Luft zu sprengen.

Beruhigend sei aber aus seiner Sicht, so der gastgebende Philosoph und Jurist, dass der ehemalige Bundeskanzler Bruno Kreisky im Rahmen seiner Nahost-Politik Wien zur Drehscheibe für muslimische Gruppierungen aller Art gemacht habe. Kaum ein Staat habe so viel an Kapital aus diesen Ländern geparkt wie die Alpenrepublik. Teil der Übereinkunft, die bis heute inoffizielle Gültigkeit haben soll, sei die Zusicherung, dass deren “Interessensvertreter” fernab der Exekutive unsere Landesgrenzen für Geschäftszwecke ungehindert passieren dürfen. Als Dank für diese großzügigen Regelungen werde von Terrorangriffen auf unser Land abgesehen. Ich kann diese Information nicht beurteilen, aber als Kenner und Beobachter der gelebten politischen Praxis – oder besser gesagt des österreichischen Weges – halte ich diese Regelung für durchaus glaubwürdig. Eine Win-win-Situation, wenn man so möchte, die dazu geführt hat, dass “WIR” nicht London, Madrid, Mumbai, Bali, Boston, Sidney, Brüssel oder Toulouse sind, lauter Städte, die je nach Betrachtungsweise von „moderaten“, „streng gläubigen“ oder „fanatischen“ Islamisten für zu verabscheuende Ziele heimgesucht wurden.

Wenn jetzt, nach der Charlie Hebdo Katastrophe von Paris, die 17 Menschen das Leben gekostet hat, die Politik nicht müde wird zu betonen, dass man nicht alle Muslime unter Generalverdacht stellen solle, müssten gerade jene Politiker, die das fordern, langsam beginnen, bei sich selbst ein paar Dinge zu hinterfragen. Beispielsweise, ob nicht das Entstehen dieser religiösen Krisenherde ihr politisches Versagen in Reinkultur darstellt. Wenn ich dem Gastgeber meines Hintergrundgesprächs Glauben schenken darf, dann sind viele Freitagspredigten in den Moscheen auch bei uns inhaltlich davon geprägt, den Versammelten zu erklären, dass die Macht im Staat mit allen Mitteln zu übernehmen und die Scharia als Rechtsgrundlage zu etablieren sei. Und das vor den Augen der Staatspolizei! Ich entgegnete dieser Aussage mit der Frage, wenn das alles so offensichtlich sei, warum dann die Regierung, die Politik nichts tue? Mein Gastgeber sagte, weil die falsche Partei, O-Ton “Die blauen Nazi Buam” vulgo Straches FPÖ und die anderen rechten Parteien in Europa das Copyright auf das Thema Islam hätten. Ich weiß schon, dass es nahezu verpönt ist, Verständnis in Richtung PEGIDA zu äußern. Aber ich behaupte, dass solch gesellschaftliche Ventile dadurch entstehen, weil jeder, der nur hörbar eine kritische Frage zum Islam stellt, reflexartig ins rechte Eck gedrängt wird. Aber jene, die vom Volk gewählt wurden und von diesem de facto bezahlt werden, wollen vielfach die Sorgen und Ängste vieler Mitbürger nicht hören, nicht sehen und verharren folglich in ewiger Defensive, indem sie sich wie üblich bei Konfliktthemen erst gar nicht äußern, geschweige denn positionieren wollen.

Ist all das tatsächlich eine Erklärung dafür, warum mit einer radikal politisierenden „Glaubensgemeinschaft“ nicht Klartext gesprochen wird? Warum kann in Österreich, in Deutschland, in Frankreich oder sonst wo all jenen angeblichen, instrumentalisierenden Verehrern von Mohamed nicht verständlich gemacht werden, dass die freie Ausübung von Religion zu den Grundwerten und Grundrechten westlicher Demokratien gehört? Dass wir in unseren Breiten Frauen als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkennen, dass bei uns Andersgläubige nicht ausgepeitscht und Menschen mit welcher sexuellen Orientierung auch immer, nicht am nächsten Galgen gehängt werden. Und dass bei uns ein bestehendes Rechtssystem nicht im Namen Allahs unterlaufen werden darf – und dass alle, die das dennoch tun, in unserer westlich-demokratischen Gesellschaft völlig fehl am Platz sind! Es geht schlicht um die Trennung von Religion und Staat, für Muslime wie Christen. Zu unserer Lebensweise gehört eben auch ein Gesellschafts- und Bildungssystem, das Menschen nicht unterdrückt, sondern sie befähigt, frei zu leben. Das unteilbare (Menschen)Recht darauf sollten alle Individuen verinnerlichen, egal welcher Herkunft, politischen Gesinnung oder Religionszugehörigkeit – verbunden aber mit der Pflicht, die persönliche Freiheit jedes Einzelnen respektvoll zu akzeptieren!