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„dumb fucks“

Es muss gegen Ende der Nullerjahre gewesen sein. Eine Freundin, die damals bei einer der größten PR-Agenturen des Landes ihre Brötchen verdiente, berichtete mir bei einem Abendessen ganz aufgeregt und unter dem Siegel der absoluten Verschwiegenheit, dass es ihr gerade gelungen sei, Mark Zuckerberg für einen Vortrag nach Österreich zu holen. Ich nahm diese Information nahezu teilnahmslos zur Kenntnis, da ich mit dem Namen des Facebook Gründers im ersten Moment nichts anfangen konnte. Nicht mal eine VIP-Einladung für dieses Event hatte ich in weiterer Folge angenommen, da mir der ehemalige Student der Harvard University wenig gewinnbringend für meinen Geist erschien. Erst langsam wurde mir die Welt der virtuellen Freundschaften vertraut und ich sollte die Vorzüge dieser Kommunikation erkennen. 2010 verbrachte ich dann einige Zeit in New York City und das war der Moment, wo Facebook und ich plötzlich eins wurden. Um mir die Informationsübermittlung aus den Staaten an all meine Freunde und Bekannten einzeln zu ersparen, legte ich einen Account beim „Gesichtsbuch“ an. Und fortan konnte ich meine kleine Welt in eine große Welt projizieren und mich daran erfreuen, dass plötzlich über den engsten Familien- und Freundeskreis hinaus Menschen an meinem Leben teilnahmen. Nicht nur das, immer mehr „Freunde“ kommentierten Beiträge von mir, es entstand eine neue Form des Dialogs und die große Mehrheit hob als Zeichen ihrer Zustimmung virtuell den Daumen mit einem schlichten „like“. Und Hand aufs Herz, wer freut sich nicht, wenn er nicht nur in der realen, sondern auch in der virtuellen Welt ein wenig Zuwendung erfährt?

Das ist die eine Seite, der andere Blickwinkel ist jener, dass diese Form der virtuellen Kommunikation keine Einbahnstraße ist und auch niemals sein kann. Will heißen, ich gebe selbstbestimmt und freiwillig Einblicke in mein Leben. Und warum sollten jene, die die Kommunikationsinfrastruktur bereitstellen, zusehen und nicht ihren Nutzen aus dieser schier endlosen Datenmenge ziehen? Die Gutenbergs des 21. Jahrhunderts wissen um ihre Macht, sie freuen sich über den milliardenfachen Zuspruch in Form von im Internet angelegten Nutzerkonten und abgespeicherten Informationen zum Nulltarif. Wenn ich mir ansehe, oder besser gesagt nachlese, wie sich viele User von Facebook über die Verwendung ihrer Daten, über die Analysen ihres Nutzerverhaltens und über die Bewertung des selbigen wundern, dann kann ich dem Gründer und Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens Facebook Inc. sehr gut verstehen, wenn er seine mehr als 2 Milliarden Geschäftspartner, sprich Account-Besitzer bei Facebook als „dumb fucks“oder frei übersetzt als „Trottel“ bezeichnet, weil sie ihm und seiner Company sämtliche Daten so vertrauensselig übermitteln. Das 21. Jahrhundert fördert nicht gerade das „Selberdenkertum“, aber es darf darauf hingewiesen werden, dass es so etwas wie eine Eigenverantwortung ebenso noch gibt, auch wenn einige glauben, dass wir diese Epoche überwunden haben. Um es auf den Punkt zu bringen, mir ist kein Fall bekannt, wo jemand mit Waffengewalt gezwungen wurde, sein Inneres im Universum der Bits & Bytes nach außen zu kehren. Selbstbestimmt lautet die Codierung und Grundlage des Handelns in diesem Fall, falls das jemand verdrängt hat!

In der vergangenen Woche habe ich Mark Zuckerberg beobachtet, oder besser gesagt, ich konnte mich dem nicht entziehen, als er dem US-Kongress Rede und Antwort stand. Nicht die Abgeordneten führten den 33jährigen Multimilliardär vor, sondern der mehrfach ausgezeichnete Jungunternehmer überstand das Kreuzfeuer der Mandatare bravourös. So fragte der Republikaner Orrin Hatch allen Ernstes nach, wie sich Facebook finanziert. „Wir verkaufen Werbeanzeigen, Herr Senator“, antwortete Zuckerberg. Spätestens mit dieser Aussage sollte klar werden, dass Facebook ein ganz banales Medienunternehmen wie Millionen andere ist, das über den Verkauf von freien virtuellen Flächen Einnahmen generiert. Es ist quasi eine Gratiszeitung wie heute“ in Österreich oder „20 Minuten“ in Frankreich und Spanien, mit der Auflage wird Reichweite generiert und damit Relevanz für die Werbewirtschaft geschaffen. Die Anhörung von Mark Zuckerberg im US-Kongress hat die Lebenslüge von Facebook beendet und ich meine das wirklich wertfrei, dieser virtuelle Zusammenschluss von Milliarden von Menschen ist eben kein unabhängiges Netzwerk, das eine neutrale und unvoreingenommene Sichtweise der Dinge widerspiegelt. Facebook ist ein Medienunternehmen, mit eindeutig ideologisch linker Schlagseite, das um die 20.000 Frauen und Männer alleine dafür beschäftigt, um gepostete Inhalte zu sichten. Kennen Sie eine derzeit größere Zensurbehörde weltweit? Ich bin gespannt, ob mein Blog der eingehenden Kontrolle zum Opfer fällt 🙂 Mark Zuckerberg möchte sich ja nach eigener Aussage vor dem US-Kongress stärker dem Guten zuwenden, aber wer bestimmt, was gut und was böse ist? Der Facebook-Chef persönlich, oder die Mehrheit seiner Zensoren? Trotz vieler Kritikpunkte an der Mutter aller sozialen Kommunikationsnetzte bin ich ein überzeugter Befürworter dieser Plattform. Facebook hat die Kommunikation im 21. Jahrhundert ein weiteres Mal in der Geschichte demokratisiert. Menschen, die sonst kein Gehör finden, haben hier eine Voraussetzung gefunden, um für ihre Forderungen und Gedanken eine Plattform zu erwirken. Die weitere Pluralisierung der Kommunikation ist das, was wir alle mit Facebook gewonnen haben oder anders gesagt: Was einmal gedacht wurde –  um mit Friedrich Dürrenmatt zu sprechen – kann nicht mehr zurückgenommen werden. Es liegt an uns allen, was wir daraus machen!

Foto: © They trust me. The dumb fucks. by SamuelBassdotcomMar 12 2017