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Damenwahl

Ich lasse mir ja viel nachsagen: Ich mag stur sein, manchmal ein wenig ungeduldig, sarkastisch und zynisch vielleicht, das geb ich zu. Aber ein Chauvi bin ich ganz sicher nicht. Im Gegenteil: Wertschätzung, Respekt, Hochachtung – all das hege ich für die Frauen in meiner Umgebung. Beruflich wie privat. Trotzdem passiert es auch mir, dass ich mich unwissend und ohne jede böse Absicht im Gender-Terrain versteige. Jüngster Anlassfall für meine Grübeleien über mein Verhältnis zur Damenwelt: Im Rahmen eines Projekt-Start-Ups traf ich mich vergangene Woche zu einem ersten Termin, bei dem die Anwesenden bis auf meine Wenigkeit durchwegs weiblich waren. Im Anschluss an ein ausgesprochen konstruktives Gespräch zeigte ich mich erbötig, das Protokoll an alle Teilnehmerinnen zu übermitteln. In meiner grenzenlosen Naivität eröffnete ich meine E-Mail mit den Worten „Sehr geehrte Damen!“. Soviel Dreistheit blieb nicht lange ungestraft: Eine der Besprechungsteilnehmerinnen, eine überaus engagierte Akademikerin machte mich dankenswerter Weise darauf aufmerksam, dass die Bezeichnung „Dame“ durchaus auch diminuieriend aufgefasst werden könne, man denke etwa an die nicht mehr ganz zeitgemäße Profession der Vorzimmerdame. Nichts lag mir ferner, als der lieben Frau Mag. auf den Schlipps zu treten und prompt bin ich der Sache nachgegangen. Siehe da, auf Wikipedia stand es schwarz auf weiß:

Dame ( Deutsch) Silbentrennung: Da·me, Plural: Da·men Bedeutungen: [1] allgemeine unpersönliche Anrede (dann nur Plural), höfliche Bezeichnung für eine Frau….

Nicht mehr und nicht weniger stand mir im Sinn, als die anwesenden Frauen höflich anzusprechen. Nachdem ich mit Kommunikation meine Brötchen verdiene, ist mir klar:  Die Sprache ist unser wichtigstes Verständigungsmittel. Sprache beeinflusst und schafft soziale Realität. Veränderungen in der Sprache wirken auf das Bewusstsein und tragen unmittelbar zur Veränderung der sozialen Gegebenheiten bei.
Bei allem Respekt für die bemerkenswerten Errungenschaften der Frauenbewegung: Was mich an der Gleichstellungsdebatte jedoch generell stört, sind nicht in erster Linie ungerechte Konzepte (Stichwort: Quote), die Verschwendung öffentlicher Gelder (Stichwort: Frauenbeauftragte) oder das aus meiner Sicht oft zum formalistischen Selbstzweck verkommene Gendern der Sprache, sondern vor allem die Methode, mit der politischen Forderungen heute Nachdruck verliehen wird. Es ist mir unerträglich – und das gilt nicht nur für die Gleichstellungspolitik – wenn der Lobbyismus für eine gute Sache in die skrupellose Ausübung von Macht über die diskursive Sphäre abgleitet und unter dem Zepter der Political Correctness Kritiker mundtot gemacht werden. Das dient aus meiner Sicht auch keinesfalls dem Grundgedanken des Feminismus. Denn vergessen wir nicht: Nach der ersten Wahl, zu der in Österreich auch Frauen zugelassen waren, betrug der Anteil an weiblichen Abgeordneten im Parlament 5,7 Prozent. Es dauerte 56 Jahre, bis sich dieser Anteil erstmals auf über 10 Prozent erhöht hat. Heute sitzen 183 Abgeordnete im Parlament und nur knapp ein Drittel von ihnen ist weiblich. Es gibt lediglich 60 Bürgermeisterinnen in Österreich, hingegen aber 2239 Bürgermeister. Diese Zahlen zeigen ein deutliches Bild: Die politische Situation in Österreich basierte und basiert auf dem grundlegenden Prinzip der patriarchalen Vorherrschaft.

Doch nicht nur in der Politik, auch in anderen Berufsfeldern herrschen ähnliche Zustände. Die am Geschlecht festgemachte Ungleichbehandlung von Mann und Frau ist nach wie vor gravierend. Obwohl die Gleichstellung in Artikel 7(1) des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes geregelt ist und auch die europäische Union seit mehr als 30 Jahren eine Beschäftigungspolitik verfolgt, die zur Chancengleichheit der Geschlechter führen soll, sind Frauen in höheren beruflichen Positionen nach wie vor schlecht vertreten. Dass sich diese Umstände noch in meiner Schaffensperiode grundlegend verbessern, dafür, sehr geehrte Damen, setze ich mich täglich ein.