Blog

Begattungsorganföhner

Meine Privatversicherung hat mich vor einigen Jahren animiert, einem Fitnessclub beizutreten. Das ging irgendwie sehr einfach. Mit fortgeschrittenem Alter meinerseits und dem Interesse des Versicherers andererseits, dass ich als sein Kunde möglichst bei bester Gesundheit bleibe. Die Übernahme der monatlichen Gebühren in einem „Geschäft für körperliche Ertüchtigung“ ist eine der mir offerierten Optionen gewesen. Nicht, dass ich vorher unsportlich gewesen wäre, denn ich jogge seit langer Zeit für mein Leben gern. Ich mag den Moment, wenn ich einfach loslaufe. Und in manchen Monaten habe ich nach getaner Arbeit noch immer so viel überschüssige Energie abzubauen, dass ich an die 100 km renne, nicht auf einmal und auch nicht auf der Flucht befindlich, sondern weil es mir unendlich gut tut, meinen Kopf, der sonst immer irgendwie am Denken und Tun ist, schlichtweg aufzuräumen.

Aber das wollte ich Ihnen gar nicht erzählen. Am heutigen Internationalen Frauentag wollte ich dokumentieren, dass nicht nur dem besten Geschlecht auf dieser Erde nachgesagt wird zu tratschen, sondern auch Männer tun das, wie ich zugebe. Heute geselle ich mich in die Reihe jener, die gerne Klatsch und Tratsch berichten. Schon seit Jahren denke ich mir, dass meine Beobachtungen – um wieder zum Eingangsthema zurückzukehren – beim regelmäßigen Besuch im Fitnessstudio wirkliche Milieustudien des Alltags sind. Hat Elizabeth T. Spira schon mal eine Alltagsgeschichte in einer Kraftkammer gedreht? Ich weiß es nicht, aber wenn nicht, es würde sich lohnen. Was da für Typen umherlaufen, das ist eigentlich unbeschreiblich. Ich berichte jetzt nicht von Beobachtungen, wenn Frauen und Männer ihre Fitnessübungen absolvieren. Ich erzähle von Erlebnissen in jenem Bereich, wo „Manderl und Weiberl“ in derlei Einrichtungen noch auf sich alleine gestellt sind und ohne eine Trennung von weiteren 56 Möglichkeiten der Geschlechtszugehörigkeit auskommen: den Umkleidekabinen.

Ich werde vermutlich nie erfahren, wie es in weiblichen Umkleidekabinen zugeht, außer ich würde mich sozusagen operativ geschlechtlich neu aufstellen. Was aber bei mir in den Umkleideräumen abgeht, das muss man wirklich mal gesehen haben. Geschätzte 90 % aller Männer, die man dort antrifft, stehen so etwas von unter Strom, dass du dich fast fürchtest. Die öffnen nicht die Tür, die treten sie fast ein, stürmen zu einer freien Kabine, Gewand runter, Fitnessdress rauf. Vollgas. Gemma! Nach Absolvierung der Übungen dasselbe Bild: verschwitzte Kerle entledigen sich ihres Sportgewandes, manche duschen sich nicht mal, trocknen sich mit dem Handtuch ab, streifen das Businessgewand darüber und ab geht es wieder ins Büro. Wieder Vollgas. Wieder gemma! Oft frage ich mich, welche Frauen müssen solche Gestalten wohl als Partner oder Vorgesetzte ertragen. Artgenossen, die Dinge wie auf einer Checkliste abarbeiten, um dazuzugehören. Immer fast am Limit. Keine Lebensfreude vermittelnd. Ich schreibe jetzt nicht davon, wie Leute ihre Turnübungen ausführen, sondern was sie signalisieren, wenn sie in den Fitnessclub kommen oder bevor sie wiederum gehen. Wenn ich mir manche Hygienestandards auf einen Haushalt übertragen vorstelle, dann hoffe ich, dass mich nie eine Einladung von einem dieser schier unerträglichen „Fitnessgurus“ ereilt. Natürlich gibt es dort auch 0815 Typen wie mich, aber lassen sie mich ein wenig lästern, über den einen beispielweise, der gestern unverfroren in meiner Gegenwart immer Nacktselfies in einem eher eindeutigen Zustand machte und anschließend versendete. Und dieser wird nur noch von einem Mann um die 40 getoppt, einem dieser unter Stromsteher. Eigentlich eine mausgraue Erscheinung, aber nackt gibt es da ja eher wenige Unterschiede. Der hat eine besondere Eigenheit, deren Wirkung sich mir bislang nicht erschlossen hat. Der geht nach dem Duschen immer zur Theke, auf der ein Haartrockner nach dem anderen platziert ist. Ungeachtet der Anwesenheit anderer Sportsmänner breitet er sein Handtuch auf, stellt sich mit seinen Füssen darauf, schaltet den Haarfön ein, hebt ihn aber nicht auf, um damit seine Haare zu trocknen, sondern justiert ihn, um minutenlang seinen glatt rasierten Genitalbereich mit warmer Luft, auf 2000 Watt Basis, anblasen zu lassen, während er seinen Körper unaufhörlich massiert. Ein Bild ergibt das, wo einem ganz einfach die Übersetzung fehlt. Was da wohl irgendwie abgeht? Ein Trauma aus der Kindheit, unerfüllte sexuelle Wünsche? Bevor ich mich aber als Psychologe versuche, fasse ich eines Tages vielleicht doch den Mut und spreche den Mann an, was denn eigentlich der tiefere Sinn hinter dieser Begattungsorganföhnerei ist. Sollte es aus der Damenwelt – übrigens alles Gute zum heutigen Feiertag – Fitnessklubbesucherinnen geben, die auf diese wahre Geschichte noch eine drauflegen können: ich würde mich freuen, über einen Austausch von Kabine zu Kabine:-)