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Bausparer-Soul?

Wir sind Nadine! Wer es noch nicht wusste, dem hat es die ORF-Sendung Thema in der gestrigen Nachbetrachtung des Eurovision Song Contests noch einmal so richtig unter die Nase gerieben. Inklusive gerührter Beiler-Omi und Remmidemmi am Inzinger Dorfplatz. Ich finde den medialen Hype rund um die Singspiele der Mittelmäßigkeit ja wirklich faszinierend. Und auch die Ernsthaftigkeit, mit der die Ergebnisse danach haarklein analysiert wurden. Die Wettquoten in den Tagen davor sprachen ja eine deutliche Sprache. Unserer Starterin wurde eine unglaubliche Performance attestiert und dann kam die Ernüchterung, ein bescheidener Platz 18, den der ORF in einer ersten Meldung als gute Platzierung im hinteren Feld betitelte. Manche meinen gar, es sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Ostblock-Callcenter hätten ihre Finger im Spiel gehabt. Und überhaupt sei das Ganze politisch motiviert, schließlich soll Aserbaidschan in ein paar Jahren Gas via Nabucco Pipeline liefern. Also gehören die Herrschaften aus dem fernen Bacu ein wenig gebauchpinselt. Klar, liegt doch auf der Hand!

Die BILD fordert trotz allem das Bundesverdienstkreuz für Fräulein Lena und jubiliert: „Die Ösis haben uns doch lieb!“ Wegen der 10 vergebenen Punkte nämlich. Ich bin ja kein Musikexperte, ich spiele nicht mal ein Instrument und ich kann auch nicht darüber befinden, ob fachlich gesehen manche Lieder großartig oder besonders schlecht waren. Mein Zugang zu dieser Veranstaltung kommt eher dem von Alkbottle-Sänger Roman Gregory nahe, der seine Spannung über den Ausgang des Wettbewerbes prägnant auf den Punkt brachte: „Mal schau’n, ob uns die Nadine den Schaß g’winnt!

Als Laie, der selten das Musikgeschehen verfolgt, denke ich mir beim Anhören mancher unserer heimischen Produktionen, dass es gut ist, dass diese Lieder nur von einem überschaubaren Kreis von Musikfreunden gehört werden. Es gibt aber auch die berühmten Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Man denke an die Authentizität einer Christl Stürmer, die handwerklich einfach gute Arbeit leistet, so die Experten, und die im Gegensatz zu ihren Kunstproduktkollegen aus den Starmania Staffeln einfach zeigt, wie es geht. Will heißen, Sie überlebt auch ohne mediale Stützkrücken. Wenn ich rotweißrotes Sangesgut mit internationalen Produktionen vergleiche, dann denke ich mir, dass wir eine durchaus konkurrenzfähige Ausgangsbasis haben. Aber mir fehlt oft die Raffinesse in der Umsetzung, die Feinheit, die den Unterschied zwischen Hollywood und Hinterstoder ausmacht. Ich kann auch nicht beurteilen, ob der Spiegel in der Analyse recht hat, wenn er Nadine Beilers Österreichs Beitrag am diesjährigen Eurovision Song Contest, den ich ebenso wie die letzten 45 Wettbewerbe nicht gesehen habe, als Bausparer-Soul bezeichnet.

Sonntag früh, die Ö 3 Gemeinde war noch im Sangeskater, hörte ich im Auto die wehleidigen Nachberichte aus Düsseldorf. Claudia Stöckls kurzweiliges „Frühstück bei mir“ musste den Sendeplatz für zwei unerträgliche Stunden voll Selbstmitleid räumen. Ja, es gab noch andere Teilnehmer, ja, es gab eine Jury, ja, es gab ein Publikum und die hatten anders entschieden! Zufall oder nicht, sogar der ohnedies immer glücklose ORF General Alexander Wrabetz war nach Düsseldorf in der Hoffnung angereist, dass er einmal in seiner Amtszeit mit einer Produktion Erfolg hat. Vergeblich!

Möglicherweise ist dieses medienpolitische Versagen aber nicht gottgewollt. Möglicherweise liegt es an einer latenten Selbstüberschätzung, dass eine ORF Produktion nach der anderen verklopft wird. Egal, ob es sich um den Eurovision Song Contest, Fußball Europameisterschaftsqualifikationsspiele oder irgendwelche Sitcoms handelt, die wegen Erfolglosigkeit nach der ersten Staffel abgesetzt werden müssen. Der Steuerzahler wird zwangsverpflichtet und muss diesen Wahnsinn eines angeblichen Bildungsauftrages des öffentlich-rechtlichen Senders bezahlen. Pro Jahr sind das um die 500 Millionen Euro – zusätzliches Steuergeld für Misswirtschaft nicht eingerechnet. Aber grämen wir uns nicht angesichts solcher „Peanuts“ und gönnen stattdessen den Freunden aus Aserbaidschan ihren 1. Platz. Die diesjärigen Sieger und Ausrichter des nächsten Song Contests haben ganz andere Sorgen: Eine korrupten Führungsapparat, eine fragwürdige Menschenrechtspolitik und ein Durchschnittsverdienst von 55 Dollar im Monat. Da sind wir in felix Austria mit Wrabetz und Konsorten noch vergleichsweise gut dran.