Anerkennung wirkt besser als Aspirin!
Bekanntlich nimmt man ja jene Dinge am meisten wahr, die einen gerade beschäftigen. Überlegt man sich beispielsweise den Kauf eines bestimmten Automodells, dann wird plötzlich genau dieser Fahrzeugtyp das Bild der Straßen prägen. Ob das nach dem selben Muster verläuft, wenn es sich nicht um Produkte sondern um Gedanken und Themen handelt, die den Alltag bestimmen, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber in dieser Woche scheint mein bestimmendes Thema “Lob und Anerkennung” zu sein. Irgendwie lande ich immer wieder dort. In unserer Gesellschaft, in der nahezu alles über das Prinzip der Leistung definiert wird, werden Formen der Anerkennung, insbesondere im Berufsleben, durch materielle Kompensation abgegolten. Mit lieben Freunden habe ich gestern im Cafe Engländer in der Wiener Postgasse die Frage diskutiert, ob materielle Vergütungsformen in der Wirtschaft noch zeitgemäß sind. Ist es wirklich das Geld, das die Mitarbeiter in einem Unternehmen anspornt, ihre Leistung zu erbringen? Der deutsche Neurobiologe und Hirnforscher Gerald Hüther wurde zitiert, wonach es viel wichtiger sei, Beschäftigte “einzuladen, zu inspirieren, zu ermutigen, Dinge auszuprobieren.“ Diese Form der Wertschätzung, so die Expertenmeinung, stärke nicht nur die Persönlichkeit des Einzelnen, sondern sei auch eine vernünftige Basis dafür, Neues entstehen zu lassen. Dieses Ermöglichen bedinge ebenso, Phasen des Scheiterns mitzukalkulieren.
Zu Wochenbeginn fuhr ich mit einem Geschäftspartner von Graz nach Wien. Wir tauschten uns darüber aus, wie man zeitgemäße Umgangsformen mit Menschen findet, die für einen arbeiten. Der CEO eines Unternehmens, mit dem ich da die Südautobahn entlang gefahren bin, erzählte mir, welch ausgeklügelte Systeme sein auf Vertrieb aufgebautes Unternehmen entwickeln musste, um Dynamik beim Personal zu entfalten. Er betonte, dass nicht einmal in seiner vom Verkauf und Provisionen lebenden Branche, Geld der alleinige Motivationsfaktor sei. Ich fügte dem hinzu, dass ich bei Vorträgen immer wieder betone, dass sich Führungskräfte in privaten Beziehungen niemals jenen Umgang leisten könnten, wie sie ihn mitunter mit ihren Mitarbeitern „pflegen“. Was würde passieren, wenn – nehmen wir an – ein Manager seine Familie weder grüßt, noch mit ihr kommuniziert und in keiner Weise auf ihre Bedürfnisse eingeht. Wie lange würde ein solches Beziehungsgeflecht halten können? Es gibt ein Mindestmaß an Umgangsformen, die eigentlich einfach zu handhaben sind und mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern, dass Beziehungen scheitern. In meiner Beobachtung von diversen Führungskräften im Umgang mit ihren Mitarbeitern frage ich mich manchmal schon, wieso es für viele Chefs so schwer zu sein scheint, Menschen wie Menschen zu behandeln.
Im Originaltext-Service der Austria Presse Agentur von gestern lese ich eine *Aussendung mit dem Titel “Anerkennung. Die Währung für Mitarbeitermotivation”. Im Auftrag von Edenred (Weltmarktführer im Bereich Prepaid Gutscheine und Spezialist für Kundenbindung) führte die GfK Austria Sozial- und Organisationsforschung eine Repräsentativbefragung durch: “Knapp die Hälfte der unselbständig Erwerbstätigen kommt nur mit Schwierigkeiten mit dem Einkommen aus. An der Spitze der Wunschliste für Arbeitsbedingungen stehen aber emotionale Kriterien. Ein gutes Betriebsklima, Sicherheit, ein gutes Verhältnis zum direkten Vorgesetzten, Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Privatleben und Respekt der KollegInnen und Vorgesetzten sind die – emotionale – Währung, die MitarbeiterInnen motiviert. Das Gefühl, keine Anerkennung zu erhalten, steht an der Spitze der demotivierenden Faktoren.” Beim Lesen dieser Nachricht fällt mir eine Studie ein, die ich im letzten Jahr bei der Recherche für einen Vortrag entdeckt habe: “Lob wirkt besser als Aspirin – Fehlende Anerkennung macht krank.” In dieser 2011 veröffentlichten *Studie haben Forscher des AOK-Instituts der Universität Bielefeld in Zusammenarbeit mit der Beuth Hochschule für Technik Berlin herausgefunden, dass Mitarbeiter, die selten gelobt werden, häufiger krank sind! Die 28.000 befragten Arbeitnehmer und 147 Unternehmen bestätigen das Ergebnis der Studie! Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache, so scheint es, Vorgesetzte sind oftmals völlig überrascht, wenn sie auf diesen Umstand angesprochen werden. Im stressigen Alltag wird schlicht und einfach sehr oft darauf vergessen, entsprechende Anerkennung zu kommunizieren. Den nötigen Kitt dafür zu verwenden, um die Kluft zwischen Mitarbeitern und Führungsetage nicht zu vergrößern, ist eine Herausforderung, der sich beide Seiten stellen müssen, wenn man Scheitern auf der Beziehungsebene in Unternehmen verhindern möchte.
* http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120425_OTS0112 * http://www.karriere.at/blog/