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Amnesie beim Tango Korrupti

Österreich ist ein gutes Land! Und wenn man vom manchmal unfreundlichen Klima und dem fehlenden Meerzugang absieht, für mich der perfekte Platz zum Leben. Ich bin im Laufe eines Jahres sehr viel unterwegs und jedes Mal wenn ich heimkomme, denke ich mir: Es ist ein Privileg, hier geboren worden zu sein, hier zu leben und zu arbeiten. Wir reden von niedriger Kriminalität, von sauberer Umwelt, von viel Kultur und all dem, was ein Land, eine Stadt, einen Platz lebenswert macht. Diese Tatsache ist nur in einem geringen Ausmaß der Verdienst der Politik, sondern hat vor allem damit zu tun, dass die Menschen hier viel dafür leisten. Unser Reichtum – es wird sehr oft übersehen, dass Österreich zu den reichsten Volkswirtschaften der Welt gehört – den wir in Form von Abgaben und Steuern erwirtschaften, ermöglicht den Politikern das, was sie Gestaltungskraft nennen. Wenn sie von Arbeit, Wirtschaft oder Umwelt sprechen. Wenn sie von Investitionen in die Zukunft sprechen. Soweit die Theorie.

Österreich ist ein schlechtes Land! Zu diesem Schluss kommt man zwangsläufig, wenn man in letzter Zeit die Zeitung aufschlägt und daraus aufs große Ganze schließt. Zum Beispiel diese Woche: Großes Kino, wenn ein Tankstellenpächter mit Hang zu besseren Kreisen und der Götterbote des Insiderwissens ein staatliches Gericht nach Strich und Faden vera… höhnen. Betont lässig und mit Strahlermiene. Es gibt halt Situationen im Leben eines Mannes, da hilft nur mehr spontaner Gedächtnisschwund. Der Mediziner spricht von retrograder Amnesie. Wir erleben live und bei freiem Eintritt eine Realsatire mit Bühnenwert, ein Sittenbild der österreichischen Gesellschaft und ihrer Geschäftsgebarungen. Und das nicht zum ersten Mal. Wir erinnern uns: Zuvor hatten schon die Herren Grasser, Reichhold, Strasser, Scheuch, Westentaler, um nur einige zu nennen, das Wort Chuzpe neu definiert. Über all dem thront der König der Mutlosen, unser Inserate-Kanzler, und kriegt den Mund nicht auf. Es gilt die Unschuldsvermutung. Eh klar!

Im Laufe eines Lebens sieht man viel. Ich habe Politiker kennen gelernt, die betrachten das ihnen überantwortete Steuergeld als persönliches Eigentum. Da verschwimmen manchmal die Grenzen zwischen öffentlichem Amt und Privatleben. Da steht ein Mandatar im Weg, der einem Günstling den Weg ins Parlament versperrt. Und siehe da, mit großzügigen Spenden und Subventionen aus dem Steuertopf wird die nötige Überzeugungsarbeit geleistet, die den einen gehen lässt, damit der andere kommen kann. Da geht es darum, einem Meinungstief zu entschwinden und schon kann man sich der Unterstützung der Medien gar nicht erwehren, die einem aus der Krise helfen wollen. Die Kooperationsbereitschaft muss halt sechsstellig sein. Dann werden bereitwillig O-Töne übers Fernsehen verbreitet und großflächige Reportagen in diversen Zeitungen und Magazinen des Landes platziert. Will man die Aufwendungen für diese Gefälligkeiten ohne großes Aufsehen von von A nach B befördern, schaltet man einfach eine ausgelagert Gesellschaft der Republik oder eine PR Agentur dazwischen. Und wenn aus diesem Topf noch die eine oder andere Gefälligkeit beglichen werden kann, ist das sicherlich förderlich für die Geschäftsbeziehung. Lobbying nennt man das euphemistisch auf neuhochdeutsch.

Ich hab das Gefühl, tu, Felix Austria versinkst gerade ein bisschen im Sumpf. Aber vielleicht ist das hier etwas für Dich: Seit Herbst diesen Jahres bietet die Karl Franzens Universität Graz als erste österreichische Hochschule ein Masterstudium für Angewandte Ethik an. In der Programmbeschreibung des Studiums beschreibt den Nutzen für die Studierenden folgendermaßen: “Sensibilität für ethische Fragestellungen auf individueller, sozialer und strukturell-politischer Ebene sowie für die ethische Dimension professionellen Handelns.” Ich plädiere für ein verpflichtendes Studium oder zumindest einen Grundlehrgang in Sachen Ethik für die politische Elite unseres Landes. Und im übrigen auch dafür, dass Menschen, die sich vor lauter Provisionen, Scheinfirmen und verschachtelten Konstruktionen ins Reich des Vergessens flüchten, beleumundet werden. Aber kränk Dich nicht, ansonsten bist Du wirklich ein gutes Land.